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II.
Wie dämmerschaurig ist der Wald
An nebligten Novembertagen,
Wie wunderlich die Wildniß hallt
Von Astgestöhn und Windesklagen!
„Horch, Knabe, war das Waffenklang?“ —
„Nein, gnäd'ger Herr! ein Vogelsang,
Von Sturmesflügeln hergetragen.“ —
Fort trabt der mächtige Prälat,
Der kühne Erzbischof von Cöllen,
Er, den der Kaiser sich zum Rath
Und Reichsverweser mochte stellen,
Die eh'rne Hand der Clerisey,
Zwei Edelknaben, Reis'ger zwei,
Und noch drei Aebte als Gesellen.
Gelassen trabt er fort, im Traum
Von eines Wunderdomes Schöne,
Auf seines Rosses Hals den Zaum,
Er streicht ihm sanft die dichte Mähne,
Die Windesodem senkt und schwellt;
Es schaudert, wenn ein Tropfen fällt
Von Ast und Laub, des Nebels Thräne.
Schon schwindelnd steigt das Kirchenschiff,
Schon bilden sich die krausen Zacken —
Da, horch, ein Pfiff und hui, ein Griff,
Ein Helmbusch hier, ein Arm im Nacken!
Wie Schwarzwildrudel bricht's heran,
Die Aebte flieh'n wie Spreu, und dann
Mit Reisigen sich Reisge packen.
Verassia.
Ha, schnöder Strauß! zwei gegen zehn!
Doch hat der Fürst sich losgerungen,
Er peitscht sein Thier und mit Gestöhn
Hat's über'n Hohlweg sich geschwungen;
Die Gerte pfeift — „Weh, Rinkerad!“
Vom Rosse gleitet der Prälat
Und ist in's Dickicht dann gedrungen.
„Hussah, husfah, erschlagt den Hund,
Den stolzen Hund!“ und eine Meute
Fährt's in den Wald, es schließt ein Rund,
Dann vor= und rückwärts und zur Seite;
Die Zweige krachen — ha es naht —
Am Buchenstamm steht der Prälat
Wie ein gestellter Eber heute.
Er blickt verzweifelnd auf sein Schwert,
Er löst die kurze breite Klinge,
Dann prüfend unter'n Mantel fährt
Die Linke nach dem Panzerringe;
Und nun wohlan, er ist bereit,
Ja männlich focht der Priester heut,
Sein Streich war eine Flammenschwinge.
Das schwirrt und klinget durch den Wald,
Die Blätter stäuben von den Eichen,
Und über Arm und Schädel bald
Blutrothe Rinnen tröpfelh, schleichen;
Entwaffnet der Prälat noch ringt,
Der starke Mann, da zischend dringt
Ein falscher Dolch ihm in die Weichen.