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50. Das Turnier.
In alter Zeit, als das Schießpulver noch nicht erfunden war,
wurde der Krieg auf andere Weise geführt, als jetzt. Pistolen, Flinten
und Kanonen gab es natürlich noch nicht; Pfeil und Bogen, Schwert
und Lanze bildeten die gewöhnlichen Waffen. Doch waren die Kriege
viel blutiger, weil Mann gegen Mann kämpfte, und auf persönliche
Tapferkeit kam Alles an. Auch gab es keine stehenden Heere, keine
Soldaten, wie jetzt. War ein Strauß ausgefochten, eine Fehde
beendigt, so gingen die Kämpfer wieder auseinander. Mit den Fuß-
kämpfern hatte es nicht viel auf sich; die Hauptstärke lag in der Rei-
terei, in den Rittern. Unter einem Ritter denkt man sich einen großen
starken Mann, vom Kopfe bis zum Fuße in Eisen gehüllt. Brust und
Leib umschließt der Harnisch, Arme und Beine werden von Arm= und
Beinschienen umkleidet, den Kopf bedeckt der Helm. Damit der Kämpfer
sehen könne, hat der Helm eine Oeffnung, die mit einem Gitter ver-
sehen ist und Visir heißt. Des Ritters gewöhnliche Waffen waren ein
Schild, das er am linken Arme trug, ein Schwert, das er an der
linken Seite führte, und eine lange Lanze. Auch trug er noch ein
besonderes Abzeichen an sich, woran er erkannt sein wollte. Solche
Abzeichen waren Adler, Greife, Löwen, Bären, Blumen, Balken u. dgl. m.,
wie man sie noch heutigen Tages an den Häusern der Adeligen sieht.
Dem Ritterstande gehörten nur Männer von edler Abkunft an. Ein
Hauptvergnügen der Ritter waren in Friedenszeiten die Tunmniere.
Darunter hat man sich feierliche Kampfspiele zu denken, bei denen die
Ritter Proben ihrer Tapferkeit und Gewandtheit ablegten, um von
einer schaulustigen Menge Ruhm und Beifall öffentlich einzuernten.
Man kann die Turniere mit den heutigen Manövern vergleichen. Sie
wurden gewöhnlich auf dem Markt oder auf einem andern freien Platze
in der Stadt gehalten. Derselbe war mit doppelten Schranken um-
geben. Ringsumher erhoben sich die Sitze der Zuschauer. Das Schmet-
tern der Trompeten und das Wirbeln der Pauken verkündigte den
Anfang der Kampfspiele. Auf schnaubenden Rossen, in strahlender Rüstung,
mit wehenden Helmbüschen ritten die Ritter in stattlichem Zuge stolz
in die Schranken. Hier machten sie Halt. Von den herrlichen Schau-
bühnen herab blickten die Kampfrichter, die Ritterfrauen, die Edel-
fräulein und andere vornehme Zuschauer voll Erwartung und Ungeduld
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