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seinem hinteren Leibesende durch Wachstum und Abschnürung immer
neue Glieder, von denen jedes in sich nicht bloß Eier und Samen, sondern
auch lebendige Junge hervorbringt. Diese schlüpfen aber aus der Eier—
schale erst heraus, nachdem sie aus dem Körper entleert worden und auf
irgend eine Weise mit der Nahrung oder mit dem Getränke wieder von einem
Tiere (Schweine) genossen worden sind. Sobald sie in den Magen gelangt
sind, löst sich die Schale; die jungen, dann noch ganz kleinen Tierchen werden
frei, durchdringen die Darmwand und gelangen in verschiedene Teile des
Körpers um sich zu Finnenwürmern zu entwickeln.
Es ist dies eine lange und in hohem Maße dem Zufall überlassene
Entwicklungsreihe. Der Finnenwurm muß gegessen werden um im Darme
des Essers zum Bandwurme zu werden, und die von diesem in einzelnen
Gliedern erzeugten Eier und Jungen müssen wiederum genossen oder wenig-
stens eingenommen werden, um in das Innere des Körpers und namentlich
in das Fleisch eindringen und sich hier zu neuen Finnenwürmern ausbilden
zu können. Rudolf Virchow.
98. Vie Schädlichkeit des Tabakgenusses für die Jugend.
Es isteine bekannte Erfahrung, daß vielen Menschen verbotene Früchte
besser schmecken als erlaubte, und zwar gerade darum, weil sie verboten
sind. Dies gilt ohne Zweifel im ausgedehntesten Maße vom Tabakrauchen
der heranwachsenden Jugend. Trotzdem Eltern, Lehrer und Meister
den jungen Leuten das Rauchen verbieten oder in wohlmeinender Absicht
widerraten, so handeln doch viele dagegen und sündigen so wider ihre Ge-
sundheit. Wie viele junge Leute legen durch frühzeitiges Rauchen den
Grund zu späterem Siechtum, schwerer Krankheit und frühem Tod! Aber
auch Erwachsenen bringt das übermäßige Rauchen die größten Nachteile
für die Gesundheit.
Die Tabakpflanze gehört zur Familie der Nachtschattenarten, die
fast aus lauter Giftpflanzen gebildet wird. Die Tollkirsche, das Bilsen-
kraut und der Stechapfel sind nahe Verwandte unseres Tabaks. Sein
giftig wirkender Stoff ist aber nicht der gleiche wie der in den drei genannten
Giftpflanzen, sondern unterscheidet sich hinsichtlich seiner giftigen Wirkungs-
art von ihm. Er führt den Namen Nikotin. Im reinen Zustande ist er
eine farblose, durchsichtige, leicht bewegliche Flüssigkeit von starkem, be-
täubendem Tabakgeruch und eines der heftigsten Gifte, das dem Schierlings-
gifte an Stärke etwa 16mal überlegen ist. Frösche gehen in 1#8 Minuten
zu Grunde, wenn man ihnen einen Tropfen auf die Zunge bringt. Kommt
man mit einem in Nikotin getauchten Stäbchen dem Schnabel kleiner
Vögel nahe, so tritt bei diesen augenblicklich der Tod ein. Tauben verenden
durch einen Tropfen Nikotin in 30 Sekunden. Ja, mit acht Gramm Nikotin
hat man in 4½ Minuten schon Pferde getötet.
Die Wirkung auf den menschlichen Körper ist ebenfalls sehr stark.
Selbst ein hundertstel Tropfen bereitet Brennen und Kratzen im Munde
und Schlunde sowie starke Speichelabsonderung; bei ½% Tropfen treten