Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschalt u. -Gesetzgebung. 99 
Delict begangen wurde, eine abschreckende Strafe erheischen, wird 
auch die Pflicht-Verletzung eine derartige sein, dass eine strenge Strafe 
gerechtfertigt erscheint. Bloß nach Opportunitätsgründen kann nicht 
geurtheilt werden. Es gilt nicht mehr der Ausspruch Wallensteins: 
„So hänge man dich unschuldig, desto mehr wird der Schuldige zittern.“ 
Die wissenschaftliche Bearbeitung des Militärrechts soll außer der 
rechts-philosophischen eine rechts-historische sein, denn das Ge- 
schichtliche wird stets eine wesentliche Seite des Rechtes bilden. Das 
Recht steht mit dem Wesen und Charakter eines Volkes im innigen Zu- 
sammenhang und dies bewährt sich auch im Fortgange der Zeiten. Die 
Darstellung eines Rechtes soll nicht mit dem Tage seiner Publication 
beginnen. Wir können die einzelnen Rechts-Institute nicht verstehen 
wenn wir nicht deren geschichtliche Entwicklung kennen. Jene, welche 
für die Einführung des französischen Militär-Strafverfahrens in anderen 
Staaten plaidieren, sollten doch auf den organischen Zusammenhang, in 
welchem das Recht mit den Gesammt-Bewusstsein des Volkes steht, 
Bedacht nehmen, und bedenken, dass das Recht kein Kleid ist, welches 
nur einiger Änderungen bedarf, um auch für andere zu passen. Wie 
das Studium der Entwicklung des eigenen Rechts, so gewährt auch 
das Studium der Gesetzgebung fremder Staaten hohes Interesse. Die 
Wissenschaft soll am allerwenigsten mit einer chinesischen Mauer sich 
umgeben. Mit dem rechts-vergleichenden Studium ergibt sich von selbst 
die kritische Behandlung des Rechts. Da Gesetze nicht für ewige Zeiten 
erlassen werden können, jedes Gesetz mit der Umgestaltung der Lebens- 
verhältnisse und den Fortschritten der Wissenschaft in der einen oder 
anderen Richtung einer Verbesserung bedürftig ist, so ıst es die Auf- 
gabe der Wissenschaft, die in den verschiedenen Staaten gleichzeitig 
bestehenden Gesetze zu vergleichen und daraus Nutzen für eine künftige 
Gesetzgebung zu ziehen. Ist es doch anerkannt, dass die Wissenschaft 
ein Gemeingut aller Völker ist, dass jedem Volke ein Antheil an den 
Fortschritten der Wissenschaft gebürt, warum sollte dies nicht auch 
in Bezug auf die Wissenschaft des Militärrechts der Fall sein? Unser 
Zeitalter ist recht eigentlich das Zeitalter der Kritik, welche, wie Rant 
in seinem Hauptwerke („Kritik der reinen Vernunft“) bemerkt, sich sogar 
an die Religion heranwagt. Allerdings hat nur eine wissenschaft- 
liche Kritik einen Anspruch auf Berechtigung, nicht eine solche, welche 
nur alles verneint und so die Achtung vor dem Gesetze untergräbt. 
Das gefährlichste ist auch hier die Phrase. Wenn bloß von frei- 
sinnigen Einrichtungen, die einzuführen, von veralteten Institutionen, 
die abzuschaffen sind, von Volksheeren und Fehmgericht, von Geheim- 
thuerei u. s. w. geschrieben wird, so sind solche Schreibereien nur dazu, 
um weißes Papier mit Druckerschwärze zu verderben. Auf solche Re- 
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