Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschaft u. -G eselzgebung. 103
geseize bezielien sich auf die Militär-Delicte. Die Militär-Delicte sind
der strafrechtlich formulierte Gegensatz der militärischen Pflichten.
Unter den militärischen Pflichten steht obenan die des Ge-
horsams. Die Verletzung des Gehorsams oder der dem Vorgesetzten
schuldigen Achtung bildet das Militär-Delict der Subordinations -Ver-
letzung (eine strafbare Handlung gegen die militärische Unterordnung),
welches von den Militär-Strafgesetzen mit verschiedenen Strafen, je
nachdem die Handlung im Dienste oder außer demselben, in Kriegs-
oder Friedenszeiten, mit Gewaltthätigkeiten oder ohue dieselben be-
gangen wurde, bedroht wird. (s$ 145—158 des österreichischen, Art. 218
bis 223 des französischen, Art. 112—113, 122—134 des italienischen,
s$ 89—101 des deutschen M.-Str.-G.) Die von mehreren Soldaten ge-
meinsam, im gegenseitigen Einverständnis, begangene Subordinations-
Verletzung wird wegen der besonderen Gefährlichkeit der That meist
als ein eigenes Militär-Delict, das der Meuterei, strenger als die einfache
Subordinations-Verletzung bestraft. (s$ 159—182 des österreichischen,
Art. 217, 225 des französischen, Art. 114—121 des italienischen, $$ 100
bis 110 des deutschen M.-St.-G.)
Wird von dem Untergebenen ein strenger Gehorsam gegen den
Vorgesetzten gefordert, so Ist es andererseits Pflicht des Vorgesetzten,
seine Untergebenen vorschriftsmäßig zu behandeln. Misshandlungen der
Untergebenen im Dienste können, da durch dieselben auch eine Dienst-
pflicht verletzt wird, nicht nach den Bestimmungen des allgemeinen
Strafgesetzes behandelt werden. Die Überschreitung der Dienstgewalt
des Vorgesetzten gegen seine Untergebenen bildet ein Militär-Delict,
dessen Bestrafung gerade so nothwendig ist, wie jene der Insubordination.
(ss 289—291 des österreichischen, Art. 168 des italienischen, Art. 229
des französischen, $$ 114—123 des deutschen M.-St.-G.)
Eine Tugend, welche den Soldaten zieren soll, ist die Treue. Diese
wird dadurch verletzt, dass der Soldat durch Flucht oder durch Ver-
stümmelung seines Körpers sich dem Dienste für immer zu entziehen
trachtet. Die Fahnenflucht (Desertion) und Selbstbeschädigung gehören
zu den schwersten Militär-Delicten, und werden von den Militär-Straf-
gesetzen auf das erste Delict namentlich in Kriegszeiten, auf den Rück-
fall dann, wenn dasselbe gemeinsam von mehreren unternommen wird
(Desertions-Complot), besonders strenge Strafen gesetzt, während die
Selbstmeldung als Milderungs-Umstand angenonmen wird. ($$ 183—229,
293—298 des österreichischen, Art. 231—243 des französischen, Art. 137
bis 162, 177 des italienischen, $$S 64—68 des deutschen M.-Str.-G.)
Allen Gefahren muthig entgegen zu treten und für das
Wohl des Vaterlandes selbst das Leben zu opfern, ist eine weitere
Pflicht des Soldaten. Die Feigheit wird mit strengen Strafen, im