Das Militär-Strafrecht des Alterthums und der Gegenwart. D
Dem römischen Strafrecht überhaupt lag gewiss nicht die Ab-
schreckungs-Theorie zugrunde. Der Grundgedanke desselben war viel-
mehr Sicherheit des Staates und anderseits Gerechtigkeit.
Allein dem römischen Militär-Strafrechte lag ohne Zweifel die
Abschreckungs-Theorie zugrunde, was auch an verschiedenen Stellen
des Corpus juris zum Ausdruck gebracht wird, wo es ausdrücklich heißt,
dass die Strafe deshalb verhängt wird, um anderen ein Beispiel zu geben
und sie so von der Begehung einer gleichen That abzuhalten.
Ich eitiere anstatt vieler Stellen nur die 1.6,$ 3 (49, 16): „Qui in
acie prior fugam fecit, spectantibus militibus propter exemplum capite
puniendus est.“ („Wer zuerst in der Schlachtenreihe die Flucht er-
greift, soll im Angesicht der Soldaten hingerichtet werden, um diesen
ein abschreckendes Beispiel zu geben.) Am deutlichsten wird die
Dissonanz, welche zwischen dem Militär-Strafrecht und der Ansicht
der Römer über die Strafe bestand, von Tacitus zum Ausdruck ge-
bracht, welcher gelegentlich der Decimation sagt: „Habet aliquid ex
iniquo omne magnum exemplum, quod contra singulos utilitate publica
rependitur.“ („Es ist etwas Ungerechtes darin, dass aus öffentlichem
Interesse die Strafe gegen einzelne verhängt wird.“)
Das Vorhandensein der Abschreckungs-Theorie im römischen Militär-
Strafrecht kann nicht besonders befremden. Auch in den modernen
Militär-Strafgesetzen, und so auch im österreichischen, ist die Ab-
schreckungs-Theorie aufgenommen, wie dies aus verschiedenen Gesetzes-
stellen, namentlich aus den Paragraphen über die Subordinations-Ver-
letzung und die Feigheit hervorgeht.
Die gemeinen Verbrechen und Vergehen sind Verstöße gegen das
Sittengesetz und die Rechts-Ordnung, bei ihnen muss daher der sub-
jective Maßstab vielfach den Ausschlag geben, das heißt die Strafe
wird um so höher bemessen werden, je größere Verdorbenheit und sitt-
liche Versunkenheit die That beurkundet. Die Größe des angerichteten
Schadens und die Gefahr für die Rechts-Ordnung wird meist nur in
zweiter Linie in Betracht kommen.
Dagegen sind die militärischen Verbrechen und Vergehen Verstöße
gegen die militärische Disciplin, bei ihnen tritt daher der objective
Gesichtspunkt mehr in den Vordergrund, das heißt die Strafe wird
vorzugsweise mit Rücksicht auf die Gefahr und den Nachtheil be-
messen, welcher der Disciplin und der Sicherheit der Truppen aus
der That erwächst. (Brauer, „Handbuch des deutschen Militär-Straf-
gesetzes", S. 74).
Die Strafen des römischen Militär-Strafrechtes kann man in capitale
und nichtcapitale eintheilen, je nachdem die Strafe das Leben bedroht,
oder dies nicht der Fall ist. In den alten Zeiten Roms war die Todes-