Der Zeitgeist und das Militär-Strafrecht. 111
entschlagen, wie anderseits eine Civilperson nicht von einem Militär-
gericht zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn nicht, wie dies
während eines militärischen Belagerungszustandes der Fall ist, auch
Civilpersonen durch das Gesetz dem militärischen Gehorsam unter-
stellt werden.
Unbegründet ist die Forderung, die Militär-Jurisdietion auf die
militärischen Delicte zu beschränken. Durch jede strafbare Handlung
eines Soldaten wird die Mannszucht verletzt, und tragen daher auch die
von Soldaten begangenen gemeinen Delicte einen militärischen Cha-
rakter an sich. Aus Gründen der militärischen Disciplin muss die Militär-
Jurisdiction alle gerichtlich strafbaren Handlungen der activen Militär-
personen umfassen. Der ständige Charakter des Militärrechts ist dadurch
aufgehoben, dass der Soldat in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten den
bürgerlichen Gesetzen und Gerichten untersteht. (S. 58.)
B) Eine andere wichtige Änderung auf dem Gebiete des Militär-
rechts hat der Zeitgeist, wie oben gesagt, in Bezug auf das Straf-
system herbeigeführt. Das Strafrecht des Mittelalters war durch einen
Terrorismus beherrscht, welcher sich in den Strafgesetzen bis zu Ende
des vorigen Jahrhunderts hinzieht. Vielfach verschärfte Todesstrafen,
verstümmelnde Körperstrafen, Hexenprocesse, welche der stumpfsinnige
Aberglaube erzeugte, der Pranger, die Folter u. s. w. sind die Schlag-
worte, welche das Strafrecht der früheren Jahrhunderte kennzeichnen.
Die Geschichte der Strafen ist ein historisches Zeugnis dafür, wie er-
finderisch der menschliche Geist auch in Ersinnung von Grausamkeiten
ist. Die Kriegsartikel und Reuter-Bestallungen, in welchen das Militär-
Strafrecht enthalten war, übertrafen noch an Grausamkeit die für den
Civilstand erlassenen Strafgesetze. Das leitende Princip des Militär-
Strafrechts der damaligen Zeit war: „Terrent nisi timent.“ Es waltete
eine unerbittliche, durch den wohlthuenden Genius der Billigkeit nicht
gemilderte Strenge.
Die Todesstrafe war auf die Mehrzahl der Militär-Delicte ange-
droht, und wo dies nicht der Fall war, war die Strafe meist unbestimmt
gelassen, wodurch der Willkür Thür und Thor geöffnet war. Die Todes-
strafe wurde mit Verschärfungen vollzogen. Bei Militär-Delicten wurde
die Todesstrafe oft dadurch verschärft, dass der zum Tode Verurtheilte
vor der Execution für ihn entehrende Handlungen vornehmen musste.
So musste z. B. nach holländischem Militär-Strafrecht der wegen Meu-
terei zum Tode Verurthieilte vor der Hinrichtung einen Hund oder einen
Sessel eine Strecke tragen, wobei er öffentlich verhöhnt wurde.!) —
1) „Corpus juris militaris“, S. 1027, herausgegeben von dem General-Anditeur
Schulzen, Berlin 1700.