Der Zeitgeist und das Militär-Strafrecht. 117
Die heutigen Militär-Strafgesetze enthalten nämlich Straf bestim-
mungen gegen unerlaubtes Beutemachen, Plünderungen, rechtswidrige
Verheerungen und Verwüstungen und Beraubung Gefallener, Verwun-
deter und Gefangener. Das Beuterrecht ist das Recht des Soldaten, be-
wegliche Sachen des Gegners hinwegzunehmen. Dem Beuterecht unter-
liegen nur Sachen des Staates und Privater, welche zur Kriegsführung
bestimmt sind. Diese dem Feinde abgenommenen Sachen werden Eigen-
thum des Staates, nicht der einzelnen Soldaten. Berechtigt zum Beute-
machen sind nur Personen des streitbaren Standes und nur während
des Kampfes oder wenn sie vom Befehlshaber die Erlaubnis erhalten
haben. Wer unerlaubt auf Beute ausgeht, wird nach deutschem Militär-
Strafrecht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft ($ 128). —
Der Plünderung macht sich schuldig, wer im Felde unter Benutzung
des Kriegsschreckens oder der militärischen Überlegenheit rechtswidrig
Sachen der Landesbewohner hinwegnimmt, oder unbefugt Kriegsscha-
tzungen oder Zwangslieferungen erhebt, oder das Maß der von ihm
vorzunehmenden Requisionen überschreitet. — Die Plünderung wird
mit Gefängnis bis zu fünf Jahren, bei verübten Gewaltthätigkeiten mit
Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren, und, wenn ein Mensch ums Leben
gekommen ist, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit dem Tode bestraft
($ 129 und folgende). — Die Beraubung Gefallener, Verwundeter oder
Gefangener wird mit Zuchthaus bis zehn Jahren, in minder schweren
Fällen mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft ($ 134). — Das Maro-
dieren, worunter man die Bedrückung der Landesbewolhner durch Nach-
zügler versteht, wird mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren
bestraft ($ 135).
Die Militär-Strafgesetze anderer Staaten enthalten den hier ange-
führten Bestimmungen des deutschen Militär-Strafgesetzes analoge Normen.
Andererseits verfallen aber auch Einwohner des Feindeslandes, welche un-
befangen einherziehende Soldaten überfallen, sie verwunden oder tödten
oder sonst strafbare Handlungen gegen die Kriegsmacht unternehmen,
der Behandlung nach dem Strafgesetze und zwar auch des eigenen
Staates. — Alle diese Strafnormen sind ein Product des Zeitgeistes,
welcher eine unter den Staaten bestehende Rechtsordnung und allge-
meine Menschenrechte anerkennt und den Krieg nur als einen Kampf
unter den Staaten ansieht.
D) Auch gegenwärtig stehen wir vor einer wichtigen Umgestaltung
des Militär-Strafrechts durch den Zeitgeist, nämlich der Reform des
Militär-Strafprocesses. Der germanische Strafprocess war ur-
sprünglich ein öffentlicher Anklageprocess. Durch den im Mittelalter
mächtigen Einfluss des canonischen Rechts bildete sich der allgemeine