Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Die Ehren-Nothwehr. 
Den verflossenen Winter (1888—1889) verlebte ich in einer kleinen, 
an der blauen Donau gelegenen Provinzialstadt. Glaube mir, lieber 
Leser, das Leben eines Junggesellen (sei er ein junger oder ein alter 
Junggeselle) in einer Kleinstadt ist höchst monoton. Während des 
Tages geht er seiner Beschäftigung nach, und man muss jenen Jung- 
gesellen noch glücklich preisen, welcher es so einzurichten versteht, 
dass seine Beschäftigungen die Tagesstunden ausfüllen, da er sonst 
nothgedrungen auf allerlei kostspielige Allotria verfällt. Abends finden 
sich die Junggesellen gewöhnlich in einem Gasthause zusammen, be- 
sprechen die Local-Ereignisse, wenn solche überhaupt existieren, oder 
sie beschäftigen sich mit großer Politik. Gewöhnlich langweile ich mich 
bei solchen Gesprächen wie ein Sohn Albions zur Zeit der großen Nebel. 
Um dieser Langweile zu entgehen, besuchte ich oft das Theater. 
Eines Abends war „Faust“, was lange vorher angekündigt wurde. Als 
großer Verehrer Goethes freute ich mich auf diese Aufführung schon 
durch einige Tage. Aber welche Enttäuschung! Nicht bloß der Mephisto- 
pheles, sondern auch Faust und Margarete hinkten. „Indicit in Scyllam, 
qui vult vitare Charybdim“, dachte ich mir, als ich mich an die Unter- 
haltung im Gasthause erinnerte. 
Den folgenden Abend besuchte ich meinen Freund, welcher Be- 
amter des Kreisgerichtes und Lieutenant in der Reserve ist. Wir spra- 
chen von allerlei interessanten Dingen und kamen auf die Reform des 
Militär-Strafprocesses zu sprechen, wobei wir die in neuerer Zeit in den 
Fachjournalen und der Tagespresse gebrachten Reformvorschläge Revue 
passieren ließen. — Die hinkenden Gestalten des Vorabends (Faust, 
Mephistopheles und Margarete) wollten mir noch immer nicht aus dem 
Sinne; meine Nerven waren zu sehr aufgeregt. — Sodann kam das Ge- 
spräch auf die Ehren-Nothwehr, unter welcher man, wie ich gleich hier 
bemerke, das Recht der Selbstvertheidigung, um wörtlichen (verbalen) 
oder symbolischen Injurien ein Ende zu machen, versteht. Das Ge- 
spräch interessierte mich sehr und ließ mich meine Leidensgeschichte 
des Vorabends vergessen. 
Erst um die eilfte Stunde verließ ich meinen Freund, um mich
	        
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