150 Rechte und Pflichten des Offciers im Militär-Strafverfahren.
vor Gericht zu führen, so nach den Militär-Strafprocess-Orduungen Frank-
reichs und Italiens. Bekanntlich besteht nach unserer Militär-Strafprocess-
Ordnung keine formelle Vertheidigung, und ist es Sache des Auditors
und des Mitrichters, die Umstände, welche zu Gunsten des Beschuldigten
sprechen, geltend zu machen und zu erwägen.
1V. Der Gerichtsherr.
Der oberste Kriegsherr hat an die höheren militärischen Com-
mandanten, welche ihm für die Aufrechtlialtung der militärischen Dis-
ciplin verantwortlich sind, die gerichtsherrlichen Rechte übertragen.
Diese Rechte begreifen in sich: die Macht der Anordnung der
gerichtlichen Untersuchung, die Bestätigung der gefällten Urtheile, Er-
kenntnisse und Beschlüsse, endlich das Strafmilderungs- und Begnaldi-
gungsrecht, insoferne dieses nicht gesetzlich eingeschränkt ist.
Die ausführlichen und einer näheren Erörterung nicht bedürfen-
den Bestimmungen über die gerichtsherrlichen Rechte sind in der Militär-
Strafprocess-Ordnung enthalten, und würde die Aufnahme dieser Be-
stimmungen in diesen Aufsatz nur unnöthigen Raum einnehmen. Wir
wollen daher nur das anführen, was zum näheren Verständnis der ge-
richtsherrlichen Rechte nöthig erscheint.
Liegt der Thatbestand einer strafgesetzlich vorbotenen Handlung
oder Unterlassung vor und sind hinreichende Anschuldigungen gegen
eine bestimmnte Person vorhanden, so hat der Gerichtsherr die Unter-
suchung anzuordnen, da die Abolition (die Niederschlagung einer gericht-
lichen Untersuchung) zu den Seiner Majestät vorbehaltenen Rechten
gehört. Aus demselben Grunde kann der Gerichtsherr die Strafe zwar
wildern oder gänzlich nachsehen, niemals aber die mit der Verur-
theilung verbundenen Folgen erlassen.
Der Gerichtsherr ist nicht selbst Richter, sondern es ist der Richter-
spruch nur von den Standesgenossen des Beschuldigten zu fällen. Der
Gerichtsherr kann daher niemals selbst eine gerichtliche Strafe verhängen
oder die vom Kriegsrechte ausgesprochene Strafe verschärfen, sondern
hat das Urtheil, wenn ılım dasselbe zu milde oder sonst gesetzwidrig
erscheint, dem Militär-Obergericht vorzulegen.
Bei (en beiden oberen Militärgerichts-Instanzen, dem Militär-Ober-
gericht und dem Obersten Militär-Gerichtshofe, ist ebenfalls das Soldaten-
element vertreten. Die Präsidenten dieser Gerichte sind höhere Generale
des Soldatenstandes.
Die Präsidenten führen «den Vorsitz bei allen Verhandlungen und
haben, wenn zwischen zwei Meinungen die Stimmen gleich getheilt sind,
ihre Stimmen abzugeben. In diesem Falle ist die Meinung, welcher der