Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts.
Wir haben es uns hier zur Aufgabe gemacht, eine militärische
Strafrechts-Theorie zu entwerfen. Unter Strafrechts-Theorie ver-
steht man die wissenschaftliche Beantwortung der Frage, welchen Grund
und welchen Zweck die Strafe hat.
Man unterscheidet bekanntlich relative, absolute und Vereinigungs-
Theorien.!) Die relativen Theorien rechtfertigen die Strafe aus ihrem
Zwecke, die absoluten aus ihrem Grunde, die Vereinigungs-Theorien
aus beidem. Nach den relativen Theorien ist die Strafe ein Mittel zur
Erhaltung der Rechts-Ordnung. Die Wirkung der Strafe soll entweder
Abschreckung oder Besserung sein. Die absoluten Theorien erblicken
als Grund der Strafe die innere Gerechtigkeit der Strafe. Die Strafe
ist nach ihnen eine Vergeltung des begangenen Unrechts. Die Ver-
einigungs-Theorien endlich finden den Grund der Strafe über-
haupt in der inneren Gerechtigkeit derselben, und die Rechtfertigung
der nach diesem Principe zu verhängenden staatlichen Strafe, in
dem Zwecke derselben, der Erhaltung der Rechtsordnung.
Die Wichtigkeit und Tragweite der Frage, welches Princip
dem militärischen Recht zugrunde liegt, kann nur von jenen übersehen
werden, welche nur das für praktisch wichtig halten, was zur glatten
Abwicklung der eben vorliegenden Aufgaben gehört, die Philosophie
mit einem gewissen Achselzucken ansehen, und sich um die Fortschritte
der Wissenschaft nicht bekümmern.
Die Erkenntnis des strafrechtlichen Princips ist sowohl für den
Richter, als für den Gesetzgeber von Wichtigkeit. Der Richter hat sich
an das positive Recht zu halten, für ihn ist der durch wörtliche und
logische Interpretation zu erforschende Wille des Gesetzgebers ınaß-
gebend. Eine richtige Interpretation setzt aber die Erkenntnis des Rechts-
princips voraus. Unter den vielfachen Obliegenlieiten des Officiers ist
der Dienst desselben im Kriegsrechte einer der wichtigsten und heiligsten.
Hier tritt an den Officier die Aufgabe heran, über Freiheit, Ehre und
Leben der Standesgenossen zu urtheilen. Es ist daher die Behauptung,
I) Berner, „Lehrbuch des deutschen Stratrechts“, 1891, 8. 8.