Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

156 Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts. 
auch mit dem Völkerrecht in Kriegszeiten, dem Kriegsrecht, in einem 
innigen Zusammenhange. 
Aber auch zwischen den verschiedenen Wissenschaften bestehen 
keine scharfen Grenzlinien. Goethe sagt in dem Lehrbriefe Wilhelm 
Meisters: „Die Kunst ist lang, das Leben kurz.“ Mit gleichem Rechte 
kann man sagen: „Die Wissenschaft ist lang, das Leben kurz“, denn 
der wissenschaftliche Kopf begnügt sich nicht mit dem Auswendiglernen; 
er hat den großen Stoff seiner eigenen Wissenschaft geistig zu durch- 
dringen, und sich auch mit den verwandten Wissenschaften bekannt zu 
machen. Eine Wissanschaft, welche sich gleich dem himmlischen Reiche 
Asiens von den übrigen Wissenschaften abschlösse, würde erstarren und 
Erstarrung ist Tod. 
Die Rechtswissenschaft in ihrer Wechselbeziehung mit Geschichte 
und Philosophie ist eine helire Wissenschaft. Leibniz, welcher die Juris- 
prudenz von einer bessern Seite als Goethe kennen lernte, und sie als 
Schwester der Philosophie, deren Jünger er selbst war, erkannte, fällte 
auch ein günstiges Urtheil über die Jurisprudenz, indem er ihr den 
Platz neben der mathematischen Wissenschaft einräumte. Im allgemeinen 
Strafrecht hat längst die rechtsphilosophische und historische Behand- 
lung platzgegriffen, welcher Behandinng die heutige Rechtswissenschaft 
ihre Blüte verdankt. 
Was das Militärrecht betrifft, so wird demselben von der Gesetz- 
gebung mehr Aufmerksamkeit gewidmet als dies früher der Fall war. 
Man hat erkannt, „dass die Macht nicht nur auf der rohen Gewalt, 
sondern auch auf idealen Factoren, zu welchen die Gerechtigkeit ge- 
hört, beruht“ und dass die Zeit vorüber ist, in welcher man mit dem 
Wachtmeister in „Wallensteins Lager“ sagen konnte: 
Alles Weltregiment, muss Er wissen, 
Von dem Stock hat ausgehen müssen. 
Man ist in unseren Jahrhundert allgemein zu der bereits von dem 
großen italienischen Staatsmann Macchiavelli!) ausgesprochenen Über- 
zeugung gelangt, dass gute Gesetze und gute Waffen die 
sichersten Grundlagen der staatlichen Ordnung sind. 
Gute Gesetze ermöglichen einen sicheren Verkehr, einen regen Handel, 
fördern den Nationalwohlstand, und gewähren hiedurch dem Staate die 
Mittel zur Erhaltung eines starken Heeres. Ein starkes Heer aber schützt 
den Staat gegen äußere und innere Feinde und ermöglicht ihm, gute 
Einrichtungen im Innern zu treffen. lös ist daher erklärlich, dass die 
1, „I prineipe“, c.7: „I principali fondamenti, che abbino tutti gli stati... 
sono le buone leggi e le buone arımi“; L. v. Borch, „Militär-Strafrecht“, Ansbach 1890.
	        
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