Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts. 157
Gesetzgebung sich mit dem Rechte des Heeres gegenwärtig mehr denn
früher beschäftigt.
Die Wissenschaft des Militärrechts ist jedoch sehr ver-
nachlässigt. Erst wenn dem Historismus und der Philosophie der ge-
bürende Antheil auch in Bezug auf die wissenschaftliche Behandlung
des Militärrechts eingeräumt werden wird, wird das Militärrecht einen
früchtetragenden Zweig des in üppiger Pracht stehenden Baumes der
Rechtswissenschaft bilden. Zu bedauern ist, dass an den ‚Universitäten
keine Lehrkanzeln für das Militärrecht bestehen, während im vorigen
Jahrhundert an einigen Universitäten Vorlesungen über Kriegsrecht und
Kriegsprocess gehalten wurden.')
Während in Bezug auf das allgemeine Strafrecht von Philosophen
und Juristen verschiedene Strafrechts-Theorien aufgestellt wurden, wo-
durch die Rechtswissenschaft und die Gesetzgebung im hohen Grade
gefördert worden sind, fehlt es an einer militärischen Strafrechts-Theorie
gänzlich. Die gegenwärtige Abhandlung hat daher die Aufgabe, ein von
der militärischen Wissenschaft verschuldetes Versäumnis einzuholen.
Wir sprechen zunächst von dem Militärrecht und den relativen Straf-
rechts-Theorien, namentlich der Abschreckungs- und Besserungs -Theorie.
Die Abschreckungs-Theorie hat im positiven Militär-Strafrecht
von jeher eine wichtige Rolle gespielt. Das römische Militär-Strafrecht
beruhte auf dem Principe der Abschreckung und fehlt es auch nicht
an Aussprüchen der römischen Juristen, durch welche dies ausdrücklich
anerkannt wird. So sagt Menander: „Qui in acie prior fugam feecit,
spectantibus militibus propter exemplum capite puniendus est.“
(Wer in der Schlacht zuerst die Flucht ergreift, soll vor der Truppe
des abschreckenden Beispieles halber mit dem Tode bestraft
werden.) Die Strafe der Decimation, welche von dem großen Römer
Tacitus selbst als etwas Ungerechtes bezeichnet wird, beruht nur auf
dem Gedanken der Abschreckung.
Dem terroristischen Charakter des Mittelalters entsprach die Ab-
schreckungs - Theorie vollkommen. Die mittelalterlichen militärischen
Strafnormen, welche das Mittelalter lange überlebten, sind auf das
Princip der Abschreckung zurückzuführen. Wenn Wallenstein sagte:
„So hänge man dich unschuldig, desto mehr wird der Schuldige zit-
tern“, so hat derselbe nur die letzte Consequenz aus der Abschreckungs-
Theorie gezogen.
Auch die gegenwärtig noch bestehenden, aus einer früheren Zeit
herrührenden Militär-Strafgesetze (z. B. das französische vom Jahre 1857)
beruhen in vielfacher Beziehung auf der Abschreckungs-Theorie, was das
1), Jähus, „Geschichte der Kriegswissenschaften“, III, S. 2176