Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts. 159
selbst gebessert werden. Die über den Übelthäter verhängte Strafe soll
in sittlicher, etliischer Weise auch auf andere einwirken, um dieselben
von der Begehung gleicher Thaten abzuhalten.
Es ist unstreitig, dass die militärische Erziehung für das Heer und
für das Volk selbst von großer Bedeutung ist, denn: „Dem Bürgersoldaten
sind die Uniform nnd das Gewehr etwas Fremdes. Wenn er einmal den
Soldaten spielen muss, fühlt er sich nicht als Soldat, sondern als Bürger,
mag er auch alles, was äußerlich den Soldaten kennzeichnet, an sich
tragen; was ihn innerlich ausmacht, der Sinn für Disciplin und Sub-
ordination, fehlt ihm.“ ')
Ein Volk, bei welchem die allgemeine Wehrpflicht besteht, unter-
scheidet sich durch Sinn für Zucht und Ordnung vortlieilhaft von einem
Volke, dessen Heer durch Werbung gebildet wird. Wodurch aber wird,
fragen wir uns, der Sinn für Disciplin und Subordination geschaffen ?
Gewiss nicht ausschließlich oder vorzugsweise durch Strafe. Durch das
Beispiel der Vorgesetzten, durch Unterricht, Einwirkung auf das Pflicht-
gefühl und die Dauer des Dienstes wird der Soldat erzogen. Durch die
Dauer des Dienstes wird dem Soldaten die militärische Disciplin nicht
bloß zur Gewohnheit, sondern in dem Maße zum Bedürfnis, dass er
gegen Insubordination und Zuchtlosigkeit einen Widerwillen gewinnt.
Zur dauernden Übung der militärischen Pflichten gesellt sich noch der
Umstand hinzu, dass die Erfüllung derselben die Pflicht eines ganzen
Standes ist. Die Erfüllung der Standespflichten wird Ehrensache; noch
bevor der Recrut durch eigene Erfahrung die Überzeugung von der
Nothwendigkeit der Erfüllung der militärischen Pflichten gewonnen
hat, wird er von dem Standesgeist ergriffen, und erfüllt die militäri-
schen Pflichten, anfänglich nur aus dem Grunde, weil er weiß, dass er
dem Militärstande angehört. ?)
Die Strafe ist auch im Heere ein Erziehungsmittel. Der Grund
der Strafe ist aber nicht die Erziehung (Besserung). Würde dies der
Fall sein, so dürfte der unverbesserliche Soldat nicht gestraft werden.
Das Militär-Strafrecht kann die Todesstrafe nicht ent-
behren. Wenn die Gesetzgebung für das allgemeine Strafrecht die
Todesstrafe aufhob, so wurde sie im Militär-Strafrecht doch beibehalten
(dies war z. B. der Fall in der Josefinischen Gesetzgebung in Österreich).
Die Todesstrafe lässt sich aber sicherlich nicht mit der Besserung des
Übelthäters begründen. Wenn aber die Vertheidiger der Besserungs-
Theorie zur Begründung der Todesstrafe zu einem andern Rechtsgrund,
etwa zu einem Notliwehrrecht des Staates, ihre Zuflucht nelımen, so
1) Ihering, „Zweck im Recht“, Leipzig 1877, I, S. 402.
2) Ihering 1. c.