Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts. 161
Die Übelthat ist nach Hegel eine Negation des Rechtes. Durch die
Strafe wird diese Negation aufgehoben, und das Recht wieder hergestellt.
Die Ansicht, dass durch die Strafe die Übelthat gesühnt und das Recht
wieder hergestellt wird, bringt der große Goethe zum Schlusse des ersten
Theiles seines unsterblichen Meisterwerkes, des „Faust“, zum Ausdruck.
Als die zum Tode verurtheilte Margarete die Gelegenheit zur Flucht
zurückweist, sagt Mephistopheles: „Sie ist gerichtet“ und eine Stimme
von oben: „Ist gerettet“. — Auf Kants Ansicht gründet sich endlich
die Theorie Herbarts, welcher die Strafe als eine ästhetische Notlh-
wendigkeit erklärt. —
Nach unserer Ansicht ist das strafrechtliche Princip
im allgemeinen und im Militär-Strafrecht dasselbe. Der
Grund der Strafe ist die innere Gerechtigkeit derselben.
Der Zweck der vom Staate nach diesem Princip verhängten
Strafe ist die Aufrechthaltung der staatlichen Rechts-
ordnung, beziehungsweise der Rechtsordnung im Heere.
Im allgemeinen wie im Militär-Strafrecht ist eine Vereinigungs-Theorie
begründet.
Die Strafe ist gerecht, weil auch in der Weltordnung (außerhalb
des Staates) auf eine begangene Übelthat die Wiedervergeltung folgt.
Es besteht in der Weltordnung eine Gerechtigkeit, welche man die
ewige Gerechtigkeit nennen kann.
Ein jeglicher, gut oder böse, nimmt
Sich seinen Lohn mit seiner That hinweg.
(Goethe, „Iphigenie“.)
Die Vorsehung, welche die Welt geschaffen hat, hat gewollt, dass
der Verletzer fremder Rechte, welcher unberechtigt in die fremde Willens-
sphäre eingreift, ein Übel erleidet. Den alten Griechen, deren Weisheit
wir noch heute mit Recht bewundern, ist das Walten der ewigen Ge-
rechtigkeit in der Weltordnung nicht entgangen. Wie für andere Ideen,
so schufen sie sich auch für die Idee der Vergeltung des Bösen eine
Gottheit. Die Nemesis ist die rächende Gottheit der Griechen, eine
Personification der ewigen Gerechtigkeit. Sinnreich wird die Nemesis
abgebildet mit der Elle und dem Sclıwerte. Die Elle erinnert daran,
dass die Nemesis das Maß einhält, jedem nach Gebür behandelt, während
das Schwert das Symbol der Vergeltung ist. Verwandt mit der Nemesis
sind die Erinnyen, welche den Übelthäter verfolgen bis seine Schuld
gesühnt ist.
Da die ewige Gereshtigkeit in der Weltordnung begründet ist,
wird dieselbe auch von der menschlichen Vernunft gebilligt und ge-
fordert. Nicht bloß der durch die Übelthat in seinen Rechten Geschä-
digte, sondern auch jeder Unbefangene verlangt, dass derjenige, welcher
Dangelmaier, Militiirrechtl. Abhandlungen. 11