Das Militär-Strafrecht des Alterthums und der Gegenwart. 11
gekommen, da früher der Kriegsdienst ein Ehrendienst und ein Phivi-
legium der besseren Stände war. Deshalb finden wir auch erst in der
späteren Kaiserzeit Gesetze gegen dieses Verbrechen, nämlich eine Con-
stitution Kaiser Valentinians aus dem Jahre 367 n. Ch., welche anordnet,
dass Selbstverstümmler lebendig verbrannt werden sollen.
Die modernen Militärgesetze bestrafen die Selbstbeschädigung mit
einer Freiheitsstrafe, welche nach dem Umstande, ob der Selbstbeschädi-
ger noch dienstfähig ist oder nicht, und ob die That im Kriege oder
Frieden geschah, auszumessen ist ($ 81 des deutschen Militär-Gesetizes,
$ 293 des österreichischen Militär-Strafgesetzes).
Von der Feigheit.
Eine weitere Pflicht des Soldaten ist die Tapferkeit. Muthig allen
ihm begegnenden Gefahren entgegenzutreten, ist seine Pflicht vermöge
des abgelegten Eides. Der römische Soldat, welcher beim Zusammen-
treffen mit dem Feinde zuerst die Flucht ergriff, wurde mit dem Tode
bestraft. „Qui in acie prior fugam fecit...capite puniendus est.“ Die-
selbe Strafe wegen Feigheit traf auch jenen Soldaten, welcher die Vor-
gesetzten in feindlicher Gelegenheit. zu vertheidigen unterließ, wenn der
Vorgesetzte fiel (l.3,$ 2 ht.). Als Zeichen der Feigheit galt es auclı
und wurde daher wie die Feigheit selbst mit dem Tode bestraft, wenn
der Soldat im Gefechte seine Waffen verlor. Nur unter besonders be-
rücksichtigenswerten Umständen konnte in diesen Fällen die Todes-
strafe in die Übersetzung in eine minder geachtete Militär-Branche um-
geändert werden (l. 3, s 13, 40, 16).
Auch unser Militär-Strafgesetz enthält strenge Strafbestimmungen
gegen das Verbrechen der Feigheit, indem es die Feigheit in feind-
licher Gelegenheit, insbesondere das Verlassen des Geschützes, das Weg-
werfen der Waffen, die Flucht während eines Gefechtes, zaghafte Äuße-
rungen in einem belagerten Platze oder auf einem Kriegsschiffe während
des Gefechtes, wenn hieraus Gefahr entstanden ist oder entstehen kann,
mit dem Tode durch Erschießen bestraft und gegen ganze Abtheilun-
gen, die sich feige benommen haben, Decimation anordnet. Auch räumt
unser Gesetz, gleich wie das römische, dem Feldherrn und jedem Vor-
gesetzten das Recht ein, bei augenblicklich großer Gefahr den feigen
Soldaten niederzumachen.
Mit diesen Anordnungen stimmen auch die übrigen neuen Militär-
Strafgesetze im wesentlichen überein; so bestraft zum Beispiel das
italienische (Art. 9L—93) die Feigheit im Angesicht des Feindes und
das deutsche die Feigheit während des Gefechtes ($ 84) mit dem Tode.