Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

174 Der Geist. des Heeres und der Idealismus 
werden, wird die Glückseligkeit erblickt. Während die Materialisten des 
Alterthums das Glück darin suchten, wenige Bedürfnisse zu haben, zu- 
gleich aber die Mittel zu ihrer Befriedigung zu besitzen, ist die heutige 
Zeit von einer vielgestaltigen Genussucht beherrscht. Selbstverständ- 
lich werden nur schwer die nöthigen Mittel zur Befriedigung der vielen 
Bedürfnisse aufgebracht. Durch das Streben nach vielen Gütern tritt 
der wahre Lebensgenuss zurück. Die Reichthümer sollen nur den Zweck 
haben, zur Befriedigung der wirklichen Bedürfnisse zu dienen, was sie 
sonst noch bieten, ist für das wirkliche Wohlergehen ohne Belang. 
Indem der Egoismus die Mittel zum Zweck macht, wird er zum Feind 
der Person, die sich ihn zum Princip erwählt hat. 
Deutlich zum Ausdruck kommt die hier geschilderte Lebens- 
auffassung in der socialistischen Flugschrift: „Der Militarismus“ von 
Dr. F. Wiede, Zürich 1877, indem der Herr Verfasser ausruft: „Je mehr 
(Güter, materielle und sogenannte (!) geistige uns zur Verfügung stehen, 
desto glücklicher sind unsere Gesellschaftszustände.* Gott bewahre uns 
vor den von Herrn Dr. Wiede ertrüäumten glücklichen Gesellschafts- 
zuständen, aus welchen das Heer verbannt ist und in welchen die Re- 
ligionslosigkeit, weil sie den Menschen klar macht, dass außer dem 
Genuss materieller Güter kein anderes Glück besteht, zum Wohlergehen 
der Menschen beitragen soll! 
Dem praktischen Matertalisten, welcher nur dem Egoismus huldigt, 
dessen Streben nur auf das Zusammenraftfen irdischer Güter gerichtet 
ist, ist die wahre Lebensfreude, der geistige Genuss versagt. Auch auf 
ihn lassen sich die tiel' gedachten Verse Goethes (über den, der durch 
metaphysische Speculationen die großen Räthsel des Daseins ergründen 
will) anwenden: 
Ich sag’ es dir: ein Kerl, der speculiert, 
Ist wie ein Thier auf dürrer Heide, 
Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt, 
Und ringsumher liegt. schöne grüne Weide. 
Wie neben dem theoretischen der praktische Materialismus, so be- 
steht neben dem theoretischen Idealismus der praktische Idealismus, 
welcher auf die Lebensauffassung ohne Rücksicht auf ein philosophisches 
System gerichtet ist. Der Idealist sucht die Verwirklichung der Idee 
des irdischen Glückes, nach welchem alle Menschen streben, nicht im 
Güterleben, sondern im geistigen Leben. Der Idealist sieht in der Mannig- 
faltigkeit und dem Wechsel der Erscheinungen die bleibenden, ewig 
wahren Principien, und strebt nach dem Ideal, welches der Inbegriff 
des Wahren, Schönen und Guten ist. Das dem Idealisten vorschwebende 
Glück ist ein Spiegelbild seiner eigenen Seele. Solange die Herrschaft 
des Ideals andauert, solange haben der Jammer und die Schmerzen,
	        
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