Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Der Geist des Heeres und der Idealismus. 179 
aus Pflichtgefühl ohne Rücksicht auf irgend ein Interesse unternommen 
werden, sind sittlich (ethisch) gut. Schon Cicero („De fin.“, II, 14) sagt: 
„Honestum igitur id intelligimus, quod tale est, ut detractu omni uti- 
litate sine ullis praemiis fructibusque per se ipsum possit laudari“ 
(Ehrenwert ist nur, was ohne Rücksicht auf Nutzen oder Belohnung, 
seiner selbst willen, lobenswert erscheint). 
Die Rechtsgesetze sind erzwingbar und betreffen nur das äußere 
Verhalten, die Sittengesetze sind nicht erzwingbar, und betreffen die 
innerliche Gesinnung. Das Moralgesetz, das sich der Mensch selbst 
setzt, ist wirksamer als das Strafgesetz, weil das Moralgesetz immer 
pflichtgemäße Handlungen hervorbringt, während das Strafgesetz dies 
nur vermag, soweit die Furcht vor Strafe reicht. Der Soldat, welcher 
vom Pflichtgefühl beseelt ist, wird seine Schuldigkeit immer und überall 
thun, auch wenn er vom Vorgesetzten nicht gesehen wird, und derartige 
Fälle sind im Leben des Kriegers nicht selten. 
Das moralische Pflichtgefühl ist die Quelle der Rechtschaffen- 
heit, deren militärischen Wert Tellenbach') in lichtvoller Weise bespricht. 
Die Rechtschaffenheit gewinnt, sagt der genannte Autor, dadurch einen 
specifisch militärischen Wert, „dass die meisten Pflichten des Soldaten- 
standes einfache Gebote der Rechtschaffenheit sind, wie ein Blick auf 
die Kriegsartikel lehrt. Sie verlegt ihre Forderungen in das Herz des 
Soldaten, sie wandelt sie um in Bedürfnisse seines eigenen Wesens." — 
Ohne Pflichtgefühl ist keine wahre Ehre, sondern höchstens Ehrgeist 
vorhanden, denn die Ehre ist das aus eigenem Antrieb bewirkte 
Streben, stets die Grundgesetze zu befolgen, welche Gewissen und Ge- 
setz vorschreiben. — Das Pflichtbewusstsein ist es, welches den wahren 
Gehorsam des Soldaten gegen die militärischen Vorschriften und die 
Vorgesetzten erzeugt, das Pflichtbewusstsein ist es, welches den braven 
Soldaten trotz aller Mühseligkeit und Strapazen des Krieges bei frohem 
Muthe erhält. Die Gemüthsstimmung des braven Soldaten ist immer 
eine fröhliche, da das Bewusstsein der Pflichterfülluug stets eine solche 
hervorbringt. Die sclavisch gedrückte Gemütlisstimmung hingegen ist 
ein Zeichen des Hasses gegen den Herrn und das Gesetz. Das Pflicht- 
gefühl ist noch mächtiger als die Begeisterung, denn das Pflichtgefühl 
ist eine dauernde Gemütlsstimmung, während die Begeisterung dem 
Augenblicke angehört. 
Begeisterung ist keine Häringsware, 
Die man einpöckelt auf einige Jahre. 
(Goethe.) 
Das Pflichtgefühl bringt aber nicht nur die militärische Ehre und 
den Gehorsam, sondern auch die Vaterlandsliebe hervor, und steigert 
ı) „Intelligenz und Moral“, 1871, S. 26. 
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