190 Der Geist des Heeres und der Idealismus.
Wir begnügen uns, hier nur die allgemeinen Grundsätze über die
Behandlung des Soldaten anzudeuten, und fassen das Gesagte dahin
zusammen, dass das Ziel der militärischen Erziehung das sein muss,
dem soldatischen Geist eine ideale Richtung zu geben, und den Soldaten
für die Ideale, für die er kämpfen soll, zu begeistern.
Wir glauben ım Vorstehenden gezeigt zu haben, dass ein Zug der
Idealität durclı das Heerwesen geht, wälırend sonst der Nutzen das
mächtigste Idol des Jahrhunderts ist. Vermöge des idealen Grundtons
im militärischen Charakter stelıt das Heer den Kämpfen, welche die
verschiedenen Gesellschaftsclassen um das Güterleben führen, ferne.
Das Heer hat nicht, wie dies bei andern Gesellschaftsständen der Fall
ist, Sonderinteressen zu verfolgen. Das allgemeine Wohl, das Wohl des
Staates zu schützen, ist die erhabene Aufgabe des Heeres. Das Heer
ist die kräftigste Stütze der staatlichen Ordnung, welche allein ein
geistiges Leben und einen lıarmonischen Fortschritt der Gesellschaft
gegen die Gefahren aller socialen Bestrebungen und Kämpfe, insbe-
sonders jener, welche durch Theilung des Eigenthums eine neue Ge-
sellschafts-Ordnung herbeizuführen trachten. Mit Recht sagt daher Feld-
warschall Graf Radetzky in seinen „Denkschriften“ (S. 5), dass die
Armee allein die Unabhängigkeit des Vaterlandes bewahrt und befördert,
und die Gerechtsame der Länder und das Eigenthum schützt.
Wenn allerdings ein Heer die Herrschaft an sich zu bringen
trachtet (wie dies bei den Prätorianern und Janitscharen der Fall war),
dann tritt das Heer mit seinem eigenen Princip (dem erhaltenden, con-
servativen) in Widerspruch, was, da das Heer die Stütze der sittlichen
Ordnung ist, die größten Gefahren für den Staat herbeiführt. Bei den
Heeren der Gegenwart, welche die edelsten Elemente des Volkes in
sich vereinigen, ist eine solche Gefahr nicht mehr denkbar.
Die Idealität, welche im Heerwesen vorwaltet, ist der Grund, dass
die Kunst (die bildende Kunst, die Poesie und die Musik) sich häufig
mit dem Soldatenleben im Kriege und im Frieden beschäftigt. „Sie (die
Kunst) folgt dem Kriege mit Geistertritt auf allen seinen Wegen, auch
auf dem des Schrecklichen.“ ') Die Kunst, das Werk des Genius, hat.
die Ideen im Sinne Platons, die beharrende Form der ewig wechselnden
Dinge zu erkennen und diese Erkenntnis mitzutheilen.?) Die Kunst ist
die Tochter der Freilieit, da sie die Dinge in ihrer Reinheit, unabhängig
von dem Satze des Grundes auffasst, sich über die durch äußere Ein-
flüsse bedingte Unfreiheit des Wollens erhebt und sich nur mit den
Ideen beschäftigt. Zwei Geunien sind es, welche die Kunst begleiten:
die Idee des Schönen und die Idee des Erhabenen.
1) Friedrich Vischer, „Der Krieg und die Künste“, 1872, S. 26.
2) Schopenhauer, „Die Welt als Wille und Vorstellung“, IIL