Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

196 Der militärische Landesverrath. 
In den römischen Quellen '!) ist der militärische Landesverrath nur 
eine Unterart des Hochverrathes. Als besondere Fälle des militärischen 
Landesverrathes werden bezeichnet: Die Erregung eines Krieges gegen 
Rom, welche strafbare Handlung schon in den zwölf Tafeln, dem ältesten 
geschriebenen Gesetze Roms, vorgesehen war, die Überlieferung eines 
Theiles des römischen Staatsgebietes an den Feind, die Unterstützung 
der feindlichen Operationen, insbesonders durch Übermittlung von Nach- 
richten, Ausspähung, Verlockung des römischen Heeres in einen Hinter- 
halt. Die Strafe des militärischen Landesverrathes war die Todesstrafe. 
Die römische Kriegsgeschichte enthält jedoch Beispiele, dass Spione, 
welche Unterthanen des feindlichen Staates waren, mit Leibesstrafen 
gealindet wurden. So wurde, wie Livius erzählt, während des zweiten 
punischen Krieges ein Spion aus Karthago, welcher in Rom verhaftet 
wurde, mit Abhauen der beiden Hände bestraft; gleiche Strafen wurden 
auch an Spionen vollzogen, welche während der Belagerung von Capua 
im römischen Taager verhaftet: wurden (Livius, „Historia“, 1. 22, $ 33: 
l. 26, $ 12). 
Anfangs wurde jede Feindseligkeit gegen «den Staat als Perduellio, 
und seit Ende der republikanischen Zeit, sit der Lex Cornelia vom 
Jahre 673, namentlich seit der Lex Julia majestatis unter Kaiser Augu- 
stus als Crimen majestatis bezeichnet. Das Majestäts-Verbrechen 
konnte ursprünglich nur gegen die Sicherheit des Staates, später auch 
gegen die Person des Kaisers, und dann auclı gegen höhere Officiere 
und Beamte begangen werden. Vom culturhistorischen Standpunkt ist 
merkwürdig die unter der Regierung des Kaisers Arcadius (397) er- 
lassene Lex quisquis, welche den Versuch machte, auch die Gedanken als 
strafbar zu erklären, und Strafen auch gegen die unschuldigen Kinder 
des Verbrechers androht. Dieses sonderbare Gesetz wurde auch vom 
canonischen Recht und der goldenen Bulle aufgenommen. 
Die germanischen Rechtsquellen enthalten, entsprechend der Ab- 
neigung des germanischen Charakters gegen den Treubruch, strenge 
Strafen gegen Landesverräther. Schon Tacitns berichtet, dass bei den 
Germanen Landesverräther und Überläufer mit dem Tode durch den 
Strang bestraft wurden. Auch iu den Volksrechten ist auf den Landes- 
verrath die Todesstrafe festgesetzt. In den Rechtsbüchern des 13. Jahr- 
hunderts (im Sachsenspiegel, Schwabenspiegel) ist gegen den Landes- 
verrath das Radebrechen normiert. Die „Carolina“, welche für das 
deutsche Strafrecht bis zum vorigen Jahrhundert die Grundlage bildete, 
bestimmt (Art. 124): „Item welcher mit verraterey misshandelt, der soll 
der gewohnheit nach durch viertheilung zum todt gestrafft werden.“ 
) Die Quellenangabe bei Berner, „Lehrbuch des deutschen Strafreehts", 1881, 
Seito 853.
	        
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