Der militärische Landesverrath. 203
Ansicht, und ist nur durch die Normen des Völkerrechts und die ihm
vom obersten Kriegsherrn ertheilten Instructionen beschränkt. Bleiben
die Straf-Anwendungen wegen Delicte gegen die Kriegsmacht ohne
Erfolg, mehren sich diese Delicte, dann droht der Krieg {wie es im
Alterthum der Fall war) ein Kampf aller gegen alle zu werden. Die
Kriegsgeschichte lehrt, dass Volkskriege, in welchen selbst Weiber und
Kinder feindselige Handlungen gegen Militärpersonen verüben, zu Ver-
nichtungskriegen werden.
Als legitime Streiter sind zu betrachten und stehen unter dem
Schutze des Kriegsrechts: die Angehörigen des Heeres (des stehenden
Heeres, der Reserve und des Landsturmes, wenn derselbe nach der
Gesetzgebung des betreffenden Staates einen integrierenden Theil des
Heeres bildet). Die Behandlung der Freischaren nach Kriegsmanier ist
an folgende Bedingungen geknüpft:
1. Dass dieselben mit ausdrücklicher oder stillschweigender Ge-
nehmigung ihrer Regierung handeln.
2. Dass dieselben sich nach Kriegssitte betragen. Freischaren,
welche plündern, marodieren, rauben, haben nicht das Recht gleich
Soldaten nach Kriegssitte behandelt zu werden. Es kann auch verlangt
werden, dass die Freischaren von Officieren befehligt und unter die
Militär-Gerichtsbarkeit gestellt werden.
3. Der Kampf soll ein ehrlicher sein. Die Freischaren müssen da-
her die Waffen offen tragen und uniformiert oder doch mit solchen
Abzeichen versehen sein, dass sie auf gehörige Distanz als Gegner kennt-
lich sind. Im deutsch-französischen Kriege (1870/71) waren beide Re-
gierungen darüber einig, dass die Kleidung der Franc-Tireurs von der
Tracht der Bevölkerung unterschieden sein müsse. Nur über die That-
frage, ob die Traclıt: blaue Blouse mit rothen Schnüren (in Kreuzform
auf den Ärmeln) dieselben hinreichend als Combattanten bezeichne, be-
stand eine Meinungsverschiedenheit. Von der französischen Kriegsver-
waltung wurde die Uniformierung der Franc-Tireurs als eine militärische
bezeichet werden. Von der deutschen Regierung wurde hingegen geltend
gemacht, dass die blaue Blouse auch die Nativonaltracht wäre, während
die rothen Schnüre nicht auf gehörige Entfernung erkennbar und leicht
zu entfernen wären, und so ein Auftreten bald als Combattant, bald
als friedlicher Einwohner möglich wäre.!)
Wenn im bereits occupierten Lande die Einwohner sich zu Frei-
N) Dalın, „Völkerrechtliche und staatsrechtliche Studien“, Berlin 1884, S. 14T. —
Über die Frage, wer als legitimer Streiter anzusehen ist, handelt auch mein Aufsatz:
„Das Verbrechen wider die Kriegsinacht des Staates“ in der „Österreichischen mili-
tärıschen Zeitschrift” ex 1885. Vgl. auch Rolin Jacquemyns, „Revue de droit intern“,
II, p. 660.