Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Der militärische Landesverrath. 907 
sind auch vom moralischen Standpunkte verwerflich, da sie die heiligen 
Pflichten gegen das Vaterland verletzen. Der Verräther des eigenen 
Landes wird selbst von dem Gegner, zu dessen Gunsten der Verrath 
geschieht, verachtet. Dante versetzt die Verräther des eigenen Vater- 
landes in den letzten Kreis der Hölle, und lässt sie alle Martern erdulden, 
welche die Phantasie des Dichters zu ersinnen im Stande ist. Wenn 
Unterthanen eines Staates zum Vortheile desselben und zum Nachtheile 
der Invasions-Armee handeln, so kann die Triebfeder eine edle, patrio- 
tische sein, und werden solche Thaten von der vaterländischen Poesie 
oft verherrlicht. Fallen aber solche Männer, welche, ohne zur Streit- 
macht des Staates zu gehören, auf dem Kriegsschauplatze feindselige 
Handlungen gegen die Armee begehen, in die Hände ihrer Gegner, so 
erfordert die militärische Nothwendigkeit ihre Bestrafung. Für sie gilt 
der Satz: „Non nella pena, nel delitto & la infamia.* (Vittorio Alfieri, 
'„Antigone“, atto I, sc. 1.) Nicht die Strafe entehrt den Bestraften, son- 
dern die Art und Weise der strafbaren Handlung und die derselben 
zugrunde liegenden Motive bringen Schande mit sich. Wegen der an- 
geführten Handlungen verfährt also jeder Staat gegen die eigenen Uhter- 
thanen nach den Grundsätzen der Criminalität, gegen Einwohner des 
feindlichen Gebietes nach den Grundsätzen der Hostilität. 
Ob mit voller Strenge vorzugehen ist, oder ob und in welchem 
Umfange Milde und Schonung anzuwenden sind, darüber entscheidet 
weder das Völkerrecht noch das Strafgesetz, sondern dies ist eine Frage 
der Politik.') 
Es wird hiebei auf die obwaltenden Umstände, auf den Charakter 
des Volkes, ob demselben nur Strenge imponiert, oder ob es für hoch- 
herzige Handlungen empfänglich ist, ob Hoffnung vorhanden ist, die 
Gemüther für sich zu gewinnen, auf die Widerstandskraft des Gegners, 
auf die Gefahr, welche durch eine Volkserhebung entstehen kann, Be- 
dacht zu nehmen sein. 
Zeigt es sich, dass Einzelne die noch ruhige Bevölkerung zum 
Aufstande aufzureizen suchen, so muss gegen diese mit Energie auf- 
getreten werden. Einzelne Beispiele der Strenge werden oft große Wirren 
und Blutvergießen verhüten. 
Der Heerführer soll Feldherr und Staatsmann sein. Die größten 
Erfolge wurden erzielt, wenn beide Voraussetzungen eintrafen. Oft ist, 
so lehrt die Geschichte, durch ein kluges, politisches Vorgehen gegen 
die Einwohner einer feindlichen Provinz das erreicht worden, was sonst 
nur durch schwere Opfer und mit Verlust vieler Menschenleben hätte 
I) Auf das besetzte teindliche Gebiet lassen sich die Worte anwenden, welche 
Virgil der Dido zur Entschuldigung ihrer strengen Regierung in den Mund legt: 
„Res dura et regni novitas me talia cogunt moliri. . .*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.