Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

208 Der militärische Landesverrath. 
erreicht werden können. Ein der Politik nicht entsprechendes Vorgehen 
hat oft den Sieger um die auf dem Schlachtfelde erkämpften Erfolge 
gebracht. 
Was die Jurisdiction betrifft, so gehören die Delicte wider die 
Kriegsmacht des Staates, insofern sie auf dem Kriegsschauplatze oder 
in dem von der Invasions-Armee besetzten feindlichen Gebiete begangen 
werden, vor das Forum der Militär-Gerichte, welche nach ihren Gesetzen 
urtheilen, dem Grundsatze gemäß „der Soldat trägt sein Gesetzbuch mit 
in dem Tornister“. So bestimmt z. B. das österreichische Gesetz vom 
20. Mai 1859, dass im Kriegsfalle alle Personen (In- und Ausländer), 
welche sich eines Verbrechens gegen die Kriegsmacht des Staates schuldig 
machen, den Militär-Gerichten unterstehen, welche nach den die be- 
treffenden Delicte behandelnden ausführlichen und rationellen Bestim- 
mungen des Militär-Strafgesetzes vorgehen. Der Tag, an welchem die 
erweiterte Competenz der Militär-Gerichte beginnt, bestimmt der Justiz- 
minister und macht dies auch öffentlich bekannt. Das deutsche Militär- 
Strafgesetz enthält die Bestimmung, dass Deutsche und Ausländer, 
welche sich auf dem Kriegsschauplatze eines «walificierten Landes- 
verrathes, dann der Beraubung der Gefangenen, Verwundeten oder 
Gefallenen schuldig machen, oder welche in einem von deutschen Truppen 
besetzten Gebiete strafbare Handlungen gegen die Truppen oder An- 
gehörige derselben begehen, — gleich den Militär-Personen nach den 
Bestimnwmngen des Militär-Strafgesetzes bestraft werden sollen ($$ 134, 
160, 161 M.-St. 9). 
Gegen diese Bestimmungen der Österreichischen und deutschen 
(Gesetzgebung lässt sich vom Standpunkte des Völkerrechts keine Ein- 
wendung erheben. Nach den Grundsätzen des Völkerrechts werden im 
ocenpierten Feindeslande die heimischen Gerichts- und Verwaltungs- 
behörden, soweit es thunlich ist, in Wirksamkeit gelassen, jedoch ist 
die Einsetzung von Kriegsgerichten zur Aburtheilung der gegen (lie 
Kriegsmacht des Staates gerichteten Delicte ein Gebot der militärischen 
Nothwendigkeit, da die Civilgerichte durch die IKriegsereignisse gehindert. 
sind, mit der nöthigen Raschheit vorzugehen, und den Gerichten des 
occupierten Feindeslandes die Judicatur der gegen die Invasions-Armee 
begangenen Delicte nicht überlassen werden könnte. Die Kriegsgerichte 
sind an die gewöhnlichen Processgesetze nicht gebunden, jedoch wird 
mit Recht verlangt, dass die Militär-Gerichte auch bei Aburtheilung 
der Delicte gegen die Kriegsmacht des Staates nach den Fundamental- 
Gesetzen der Gerechtigkeit vorzugehen haben, dass dem Beschuldigten 
die freie Vertheidigung zu gestatten, und der Thatbestand unparteiisch, 
wenn auch summarisch zu erheben ist. (Bluntschli, „Das moderne Kriegs- 
recht“, $ 30). Es tritt auch hier der Zusammenhang des Völkerrechts
	        
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