Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Der militärische Lamlesverrath. 209 
und des Militär-Strafrechts hervor. Humane Bestrebungen auf dem Ge- 
biete des Völkerrechts haben nur dann einen Wert, wenn auch die 
Militär-Gesetzgebung auf einem vorgeschrittenen, den Grundsätzen der 
Gerechtigkeit entsprechenden Standpunkt steht. Leider wird dies zu oft 
übersehen. 
Eine Ähnlichkeit mit den Rechtsverhältnissen im Kriege hat der 
Belagerungszustand, welcher im Falle eines Krieges in den bedrohten 
Provinzen, aber auch in Friedenszeiten im Falle eines Aufruhrs, bei 
dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit verhängt werden kann. 
Der Belagerungszustand gehört der Neuzeit an und hat die Entwicklung 
des Staats- und Völkerreclhts zu seiner Voraussetzung. Solange alle Ein- 
wohner des Feindeslandes als Feinde betrachtet wurden und solange 
die vollziehende und die gesetzgebende Gewalt in einer Hand vereint 
war, konnte von der Verhängung des Belagerungszustandes als eines 
Ausnahmszustandes, in welchem dennoch selbst für Feinde und Auf- 
rührer Recht gilt, nicht die Rede sein. Die erste Gesetzgebung über 
den Belagerungszustand stellte die erste französische Republik auf. In 
Deutschland wurde von dem Belagerungszustand in den Jahren 1848 
und 1849 Gebrauch gemacht. Der Belagerungszustand ist entweder ein 
militärischer oder ein bürgerlicher. Im Falle der Verhängung "des mili: 
tärischen Belagerungszustandes geht die vollziehende Gewalt an die 
Militär-Befehlshaber über, die Civilverwaltungs- und Gemeinde-Behörden 
haben den Anordnungen der Militär-Befehlshaber Folge zu leisten. Die 
Bürger werden bis zu einem gewissen Grade dem militärischen Ge- 
horsam, den militärischen Gesetzen und Gerichten unterstellt. Der 
bürgerliche Belagerungszustand besteht nur in einer Suspension der 
Verfassungsgesetze (Beschränkung der Rede- und Pressfreiheit, des 
Vereins- und Versammlungsrechtes u. s. w.), die Competenz der Militär- 
Befelilshaber wird aber nicht erweitert. 
In Österreich ist der bürgerliche Belagerungszustand durch das 
Gesetz vom 5. Mai 1869, der militärische durch das Gesetz vom 20. Mai 
1869 geregelt. 
Für Deutschland ist das preußische Gesetz vom 4. Juni 1851 maßb- 
gebend. Nach diesem Gesetze unterstehen die Militärpersonen während 
des Belagerungszustandes, welcher mit Trommelschlag und Trompeteu- 
schall, durch Anschlagen an öffentlichen Orten und durch die Zeitungs- 
blätter verkündet wird, den strengen Kriegsgesetzen. Gegen Brand- 
stiftung, Verursachung einer Überschwemmung und Widerstand in offener 
Gewalt und mit Waffen gegen die öffentliche Maclıt oder Abgeordnete 
einer Civil- oder Militär-Behörde ist die Todesstrafe normiert. Wird 
unter Suspension des Art. 7 der Verlassungs-Urkunde zur Anordnung 
von Kriegsgerichten geschritten, so sind dieselben zur Aburtheilung 
Dungelmaior, Militürrechtl, Abhandlungen. 14
	        
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