212 Der militärische Landesverrath.
anlässig eines vor einigen Jahren gegen einen großen Reclıislehrer an-
hängig gemachten Processes vielfach besprochene Lücke bestand darin,
dass keine Strafnormen gegen nur fahrlässige Handlungen, durch welche
eine Gefährdung des Staates herbeigeführt werden kann, angedroht sind.
Der im „Deutschen Reichsanzeiger“ vom 23. Februar 1892 publicierte
Entwurf hat, wie es im Motiven-Bericht heißt, die Aufgabe, diese Lücke
wenigstens in Bezug auf die Landesvertheidigung auszufüllen.
Die wichtigsten Bestimmungen des Entwurfes sind
folgende:
1. Wer vorsätzlich militärische Gegenstände oder Nachrichten,
die geheim gehalten werden, in den Besitz oder zur Kenntnis eines
andern gelangen lässt, macht sich, wenn er weiß oder wissen
musste, dass die Sicherheit dos Reiches gefährdet wird,
eines Verbrechens schuldig nnd wird mit Zuchthaus nicht unter zwei
Jahren bestraft.
2. Wer außer diesem Fülle vorsätzlich oder widerrechtlich Gegen-
stände der bezeichneten Art zur Kenntiis eines andern gelangen lässt,
macht sich eines Vergehens schuldig und wird mit Gefängnis nicht.
unter drei Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jalıren bestraft. —
Wiewohl im Entwurfe kein Unterschied gemacht wird, ob der Be-
schuldigte ein Beamter oder Nichtbeamter ist, wird doch bei der Straf-
zumessung auf diesen Umstand Bedacht zu nelımen, und Beamte, welclıe
sich auch einer Dienst-Pflichtverletzung schuldig machen, strenger
als Nichtbeamte zu bestrafen sein.
Das Bekanntwerden militärischer Geheimnisse aus Fahrlässigkeit.
wird, wenu hiedurch die Sicherheit des Reiches gefährdet werden
kann, als Vergehen mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu drei Jahren
bedroht. Nach unserer Ansicht sollten derartige Fahrlässigkeiten, auch
ohne dass die angeführte Bedingung vorliegt, mit Strafe bedroht werden.
Auch in Bezug auf die Spionage wird unterschieden, ob dieselbe
in der Absicht geschah, von dem Ausgekundschafteten einen die Sicher-
heit des Reiches gefährdenden Gebrauch zu machen, oder ob diese Ab-
sicht nicht vorliegt (z. B. wenn beabsichtigt wird, Herstellungsmittel
ärarischer Gegenstände in eigenen Fabriken zu verwerten, oder eine
Börsen-Speculation zu unternehmen). Im ersten Falle liegt ein Ver-
brechen vor, welches mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft wird,
im zweiten Falle nur ein Vergehen, auf welches Gefüngnis oder Festungs-
haft von einem bis drei Jahren angedroht ist. Auch bei dem Verbrechen
der Spionage wird auf die persönlichen Verhältnisse des Thäters Rück-
sicht zu nehmen, und ein Untertnan des eigenen Staates strenger als
ein Ausländer zu bestrafen sein.
Obwohl die neuere Gesetzgebung eine juridische Pflicht zur An-