Das Recht und die Pflicht der Anwendung der Waffe 17
eigenen Begriffen und Voraussetzungen beruht, ist es zuzuschreiben,
dass über die hier behandelte Frage in Kreisen des Militärs und
Civils die verschiedensten, oft gerade entgegengesetzten Urtheile ge-
fällt werden. — Unsere Frage, wann das Recht und die Pflicht der
Waflen-Anwendung eintritt, kann nur dann richtig beantwortet werden,
wenn man sowohl den Anforderungen der Zeit, nach welchen die per-
sönliche Sicherheit des einzelnen gegen die rohe physische Gewalt
gesichert sein soll, als auch den Anforderungen des Bestandes einer
Armee Rechnung trägt. Die Armee ist die organisierte Wehrkraft des
Staates, deren Zweck der Krieg ist. Die Kriegswissenschaft beherrscht
alle Grundsätze der Lehre des Heerwesens. Der Wert aller Einrichtungen
desselben kann nur nach der Fähigkeit, der Kriegführung zu dienen,
bemessen werden, und dies gilt auch von der Militär-Rechtspflege, so-
weit es ohne Gefährdung der Rechtsgrundsätze zulässig ist.’)
Im Frieden soll der Krieg vorbereitet werden, der Soldat muss
im Frieden für den Krieg geschult werden, er darf nicht, zur Feigheit,
sondern soll zur Tapferkeit erzogen werden, weshalb auch mit Recht
nach dem neuesten Militär-Strafgesetz, nämlich dem des deutschen
Reiches, das Vergehen der Feigheit auch im Frieden begangen werden
kann. Ähnlich verhält es sich mit dem Waffenrechte des Soldaten. Die
Watte ist das Werkzeug des Soldaten, wie die Hacke, der Hammer,
der Hobel Werkzeuge der Professionisten sind. Der Soldat führt die
Waffe zum Schutze des Thrones gegen äußere und innere Feinde, und
die Wafle zu tragen, ist stets die Ehre des Soldaten. Die Pflicht und
hiemit das Recht des Waflengebrauches wird daher im Kriege, wenn
die eigentliche Aufgabe an den Soldaten herantritt, stattfinden; allein
auch ım Frieden wird der Soldat das Recht haben, von der Waffe
Gebrauch zu machen, wenn es sich um die Erhaltung wichtiger Rechte
des Staates im allgemeinen oder der Armee insbesondere handelt. Da
das Recht des Waffengebrauches dem Soldaten zur Wahrung höherer
Rechte zusteht. so wird das Recht und die Pflicht des Waffengebrauches
Hand ın Hand gehen.
Die einzelnen Fälle der Anwendung der Waffe werden sich nach
dem Gesagten ergeben, wenn man die Bedingungen des Besteliens der
Armee und die Aufgaben, welche dieselbe zu erfüllen hat, betrachtet
und sich fragt, wann das Wattenrecht zur Erfüllung dieser Bedingungen
oder zur Lösung dieser Aufgaben nöthig wird.
Die erste Voraussetzung ist, dass die Armee aus freien Männern
besteht. Der Soldat bleibt Bürger, auch solange er unter der Falıne
dient, weshalb ihm zu Wahrung seiner Rechte die Nothwehr zusteht
(Anwendung der Waffe im Falle der Nothwehr).
I) Stein, „Die Lehre von: Heerwesen“, S. 33.
Danzelmaier, Militärrechtl. Abhianellungen. 2