Die Kriegsgefangenschatt. 225
Die Kriegsgefangenen unterstehen der Militär-Gerichtsbarkeit. Es
finden auf dieselben die Militär-Strafgesetze und Militär-Strafordnungen
Anwendung (Punkt 651 des I. Theiles, Dienst-Reglement).
Was die Unterstellung der Kriegsgefangenen unter die Militär-
Gerichtsbarkeit betrifft, stimmen die Gesetzgebungen aller Staaten über-
ein ($ 103 des österr. M.-St.-G., $ 158 des deutschen M.-St.-G., Art. 56
des französ. M.-St.-G., Art. 345 der italien. M.-St.-P.-O.; vgl. S 28 der
Brüsseler Declaration). Mit Unrecht verlangt Eichelmann in seiner be-
reits citierten Monographie, dass die Kriegsgefangenen auch in Straf-
sachen den Civilgerichten unterstellt werden sollen. Die Unterstellung
der Kriegsgefangenen unter die Militär-Gerichtsbarkeit ist deshalb ge-
boten, unı Zucht und Ordnung unter denselben aufrecht zu erhalten. Bei
einer großen Ansammlung von Kriegsgefangenen auf einem Punkte des
Kriegsschauplatzes kann, wenn nicht strenge Zucht und Ordnung waltet,
leicht eine Gefahr für die militärischen Operationen herbeigeführt werden.
Es ist daher nothwendig, dass die Kriegsgefangenen solchen Gerichten
unterstehen, welche unter allen Verhältnissen und auch auf dem Kriegs-
schauplatze schlagfertig sind, das sind aber nur die militärischen Ge-
richte. Aber auch die in das Innere des Landes transportierten Kriegs-
gefangenen müssen zur Aufrechthaltung der Disciplin unter denselben
den militärischen Gerichten unterstehen, da bei einreißender Disciplin-
losigkeit unter denselben eine große Anzahl von Truppen zur Über-
wachung nöthig wäre, welche dem Heere auf dem Kriegsschauplatze
entzogen würden.
Die Anwendung der militärischen Gesetze auf die Kriegsge-
fangenen ist aber deshalb nöthig, weil nur die militärischen Gesetze
gegen die für die Kriegführang besonders gefährlichen Handlungen
(Subordination, Aufforderung zum Ungehorsam, Meuterei) die ent-
sprechenden Strafnormen enthalten. Die Anwendung der Civil-Straf-
gesetze, welche für friedliche Verhältnisse berechnet sind, wäre gänzlich
unzureichend.
Der Gedanke, dass die Anwendung der militärischen Gesetze den
Zweck hat, die Disciplin unter den Kriegsgefangenen aufrecht zu er-
halten, liegt auch der Bestimmung des $ 9 des deutschen Militär-Straf-
gesetzes zugrunde. Dieser Paragraph bestimmt nämlich, dass der höchste
im Aufenthaltsorte der Kriegsgefangenen befeliligende Officier berechtigt
ist, für dieselben die Kriegsgesetze kundzumachen, das heißt, die
strengen Bestimmungen des Militär-Strafgesetzes, welche sonst nur für
die mobilen Truppen in Anwendung kommen.
Die Bestimmungen der Militär-Strafgesetze finden allerdings nicht
im vollen Umfange auf die Kriegsgefangenen Anwendung. Es bestehen
in dieser Beziehung abweichende Bestimmungen in den verschiedenen
Dangelmaier, Militärrechtl. Abhandlungen. 15