28 Das Recht und die Pflicht der Anwendung der Waffe.
brauch zu machen. Dem Bajonnett-Angriff hat das Signal „Sturm“, dem
Schießen das Sıgnal „Front räumen“ voranzugehen. Wenn der Aut-
stand so große Dimensionen annimmt, dass den Aufständischen das
Recht einer kriegführenden Partei eingeräumt wird, so liegt für den
Suldaten der Fall des (rebrauches der Waffe gegen den Feind vor.
V. Anwendung der Waffe gegen den Feind.
Die Bestimmung der Armee ist der Krieg. Der Staat führt den
Krieg mit der eigenen militärischen Macht gegen die militärische Macht
des Feindes, und der Zweck des Krieges ist, die feindliche Macht zu
überwinden und den Gegner zu den erwünschten Zugeständnissen zu
zwingen. Der Soldat ist im Kriege zum Gebrauche der Waffen gegen
den Feind nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Die Versagung
des Gebrauches der Waffe gegen den Feind bildet ein schweres Militär-
verbrechen, welches, je nach dem der Handlung zugrunde liegenden
Motive, als Feigheit, Subordinations-Verletzung oder Verbrechen wider
die Kriegsmacht des Staates fast immer mit dem Tode bestraft wird.
Allein der Gebrauch der Watten hat auch im Kriege seine Grenzen.
Die Zulässigkeit des Waffengebrauches im Kriege ist die Regel, welche
jedoch durch die Kriegsmanier Ausnahmen erleidet. Das eigentliche
Kriegsrecht auf Leben und Tod gilt nur zwischen den Combattanten,
das ist den regulären oder irregulären Truppen, welche vom Staate zum
Kampfe berufen sind, oder doch mit dessen ausdrücklicher oder still-
schweigender Genehmigung amı Kampte theilnelimen. Friedlichen Be-
wohnern des Feindeslandes darf kein Leid gethan werden; alle gegen
diese gerichteten strafbaren Handlungen werden sv oder noch strenger
bestraft, als wenn dieselben gegen die eigenen Bürger begangen werden.
So einfach dieser Satz lautet, so sind doch Tausende von Jahren in der
Weltgeschichte vergangen, bis derselbe Anerkennung fand. Inı Alter-
thum galt, trotz der großen Philosophen, welche dasselbe aufzuweisen
hat, und trotz der hohen Bildung, welche wir in vielen anderen Be-
ziehungen an ihm bewundern, für den Krieg der Grundsatz: „Unter
den Watfen schweigen die Gesetze.“
Im Mittelalter und selbst noch in den Kriegen des vorigen Jahr-
hunderts wurden Gewalithaten gegen Einwohner des feindlichen Staates
und Verletzungen des Eigenthums derselben ungestraft verübt. Erst in
unserem Jahrhundert wurde unter den civilisierten Staaten der Grund-
satz anerkannt und als unverletzlich hingestellt, dass durch den Krieg
der Rechtszustand nicht gänzlich aufgehoben wird. Für die Bewohner des
Feindeslandes bleibt das Gesetz bestehen; sie sind verpflichtet, dasselbe
zu beobachten, wälrend sie unter dem Schutze des Gesetzes bleiben.