Das Recht und die Pflicht der Anwendung der Waffe. 29
Dagegen kann gegen Personen, welche plündernd herumziehen,
einzelne Soldaten überfallen, berauben, verstümmeln, oder auf eigene
Faust, sei es einzeln oder geordnet in Freicorps, ohne Bewilligung des
eigenen Staates Krieg führen, falls sie auf frischer That ergriffen wer-
den,') von der Waffe Gebrauch gemacht werden.
Selbst: gegen feindliche Streiter darf nicht barbarisch verfahren
werden. Die Anwendung unnütze Schmerzen bereitender Geschosse, als
vergifteter Waffen, mit Kalk oder Glas gefüllter Kugeln ist ausge-
schlossen. Ebenso ist durch die Kriegssitte die Anwendung von Waffen
verpönt, welche masclhinenmäßig Massen von Menschen tödten, als
Kettenkugeln im Landkriege, glühende Kugeln im Seekriege. Auch der
Meuchelmord gegen den Feind ist aus der Kriegführung gesitteter Na-
tionen verbannt. Nach den Grundsätzen des heutigen Völkerrechts darf
gegen gefangene, verwundete, krank daniederliegende oder überhaupt
wehrlose Feinde, die sich auf Gnade und Ungnade ergeben, bei strenger
Strafe keine Gewaltthat verübt werden.
Überblicken wir das Gesagte, so ergibt sich das Resultat, dass
dem Soldaten das Recht zum Gebrauche der Waffe in einem weiteren
Umfange zusteht als dem Bürger. Der Soldat darf in bestimmten Fällen
von der Waffe Gebrauch machen, da die Gewaltanwendung dem Bürger
verboten ist. Dieses erweiterte Recht ist nicht etwa ein Standes-Privi-
legium, sondern ist nothwendig und durch die Stelluug des Soldaten
im Staate bedingt. Der Soldat darf nicht nach seinem Gutdünken die
Waffen gebrauchen, da die persönliche Unverletzlichkeit jedes Menschen
durch die Gesetze geheiligt ist, sondern er hat dieses Recht nur im
Kriege gegen den Feind, oder im Frieden zur Erhaltung seiner Rechte,
wie jeder Bürger, oder zur Wahrung höherer Rechte als die des Ein-
zelnen, nämlich des Staates oder der Armee, als eines besonderen
Theiles des Staates. Aber eben deshalb, weil das Waffenrecht des Sol-
daten, wie wir es kennen gelernt haben, demselben nicht dureh Willkür
eingeräumt ist, sondern auf einem höheren unumstößlichen Principe
beruht, wird dieses Recht im Wesen fortbestehen bei allen Nationen
und zu allen Zeiten.
Denjenigen, welcher sich für den Gegenstand weiter interessiert,
können wir auf das ım Jahre 1888 ın München erschienene gediegene
Werk „Das Recht des Militärs zum administrativen Walffengebrauch“
von Fritz van Galker verweisen.
I Sonst verfallen sie dem Strafgericht.