Die Grenzen des Diseiplinar-Strafrechtes. 45
Beziehung stehen, noch indirect demselben Abbruch thun, unterliegen
daher keiner Disciplinar-Bestrafung.
Die Beurtlieilung der Frage, ob eine Handlung dem Dienste nach-
theilig ist, bleibt dem Vorgesetzten, dem das Disciplinar-Strafrecht über-
tragen ist, überlassen, wobei er sich von der genauen Kenntnis des
Dienstes und des militärischen Lebens leiten lassen wird. Oft werden
Handlungen, welche an sich mit dem Dienste in keiner Beziehung
stehen, durch das Obwalten besonderer Umstände, z. B. durch klimatische
Verhältnisse, durch Anforderungen, welche an den Soldaten gestellt
werden u. s. w., dem Dienste abträglich und können dann von den
militärischen Vorgesetzten verboten, und auf die Übertretung dieser
Verbote Strafen gesetzt werden. Die Härte solcher Strafen wird, außer
von den sonstigen Erschwerungs- und Milderungsumständen, namentlich
von dem Schaden, welcher aus solchen Handlungen tür den Dienst ent-
stehen kann, abhängen.
Niemals darf der Vorgesetzte eine Strafe aus Abneigung, Ge-
hässigkeit oder wegen ihm nur persönlich missliebiger, mit ddem Dienste
in gar keiner Beziehung stehender Handlungen oder Unterlassungen
verhängen.
Man wird nicht ausschließlich durch Strafen!) die Disciplin auf-
recht erhalten wollen. Bei dem gebildeten und bildungsfähigen Material,
aus welchem unsere Armee besteht, wird die Disciplin am besten durch
Erweckung und Hebung des Ehrgefühles sich anerziehen und befestigen
lassen. Strafen sollen nur verhängt werden, wenn weder Vorstellungen
noch Ermahnungen wirken, insbesondere aber, wenn sich Mangel an
Pflichtgefühl oder Ungeliorsam zeigt.?)
Der Vorgesetzte wird erforderlichen Falls zuerst, namentlich bei
straflosen Soldaten, durch Vorstellungen und Ermalinungen, welche in
ihrer Fassung dem Charakter des Einzelnen anzupassen sind, zur Pflicht-
erfüllung anzuspornen suchen, und erst dann, wenn diese fruchtlos
bleiben, und die Nichterfüllung der Pflicht offenbar in dem Mangel an
Pflichtgefühl ihren Grund hat, von dem Strafrechte Gebrauch machen.
Nur dann, wenn sich zeigt, dass die Handlung auf bösem Willen oder
Ungehorsam beruht, wird, ohne dass vorhergehende Ermahnungen nöthig
sind, sogleich Strafe einzutreten haben.
Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich, dass die Grenzen
des militärischen Disciplinar-Strafrechtes nach unten die sind, dass eine
Strafe wegen dem Dienste direct oder indirect nachtheiliger Hand-
N) Zu strenge Strafen können der Diseiplin sogar schädlich sein, wie zu strenge
Strafgesetze dem Staate nachtheilig sein können. „Esprit des lois“ von Montesquieu,
1.6, eh. 13.
2) Dienst-Reglement, I. Theil, Punkt 107.