Die Grenzen des Disciplinar-Strafrechtes. 49
ordinations -Verletzung die kriegsrechtliche Behandlung nothwendig
machen. Wenn z. B. eine Beleidigung des Vorgesetzten in Druckschriften
oder im Dienste oder vor mehreren Leuten geschehen, oder der Be-
treffende schon wegen einer gleichen Handlung bestraft erscheint, oder
wenn die Insubordination von einem Officier oder Unterofficier begangen
wurde, und dieselbe derart ist, dass der Schuldige nach militärischen
Standesbegriffen nicht mehr in seiner Stellung oder Charge belassen
werden kann, so wird die kriegsrechtliche Untersuchung einzuleiten sein.
b) Desertion, eigenmächtige Entfernung.
Der Desertion macht sich ein Soldat schuldig, welcher seinen
Truppenkörper oder den ihm angewiesenen Aufenthaltsort eigenmächtig
und mit dem Vorsatze, sich seiner Dienstpflicht für immer zu entziehen,
verlässt, oder davon in gleicher Absicht sich entfernt hält ($ 183).
Die Desertion ist immer ein Verbrechen. In einem Falle, nämlich
bei der ersten Desertion in Friedenszeiten, kann bei Selbstmeldung auf
Arrest erkannt werden; allein auch in diesem Falle ist eine Disciplinar-
strafe unstatthaft, weil trotz der Arreststrafe, welche sonst nur für Ver-
gehen normiert ist, die Desertion ein Verbrechen bleibt, und mit ihr
gesetzliche Folgen eintreten, welche nur durch ein gerichtliches Urtheil
ausgesprochen werden können.
Der Unterschied der Desertion von dem Vergehen der eigen-
mächtigen Entfernung besteht darin, dass bei ersterem Delicte die
meineidige Absicht, nämlich sich dem Militärdienste überhaupt oder
bei seinem Truppenkörper für immer zu entziehen, vorhanden ist,
während der Äbsentierer beabsichtigt, wieder zu seinem Truppenkörper
zurückzukehren ($ 212).
Das Vergehen der eigenmächtigen Entfernung wird mit Arrest
bis zu drei Monaten bestraft, weshalb dasselbe auch im Disciplinarwege
abgethan werden kann. Bei Obwalten von Erschwerungs-Umständen,
namentlich bei längerer Dauer der Abwesenheit, in Wiederholungsfällen,
oder wenn ein wichtiger Dienst vernachlässigt wurde, wird —- nament-
lich, wenn der Schuldige eine Charge bekleidet, und der Dienst dessen
Degradierung erfordert — die gerichtliche Untersuchung einzuleiten sein.
Im Falle also ein Soldat, der seinen Truppenkörper eigenmächtig
verlassen hat, zurückkelirt oder zurückgebracht wird, wird der Vor-
gesetzte zu erwägen haben, ob Desertion vorliegt, d. h. ob die Ent-
weichung in meineidiger Absicht stattfand, oder ob sich die Handlung
als eigenmächtige Entfernung qualificiert, und im ersteren Falle immer,
im letzteren Falle bei dem Vorhandensein von Erschwerungs-Umständen
die gerichtliche Untersuchung einzuleiten haben.
Dungelmaier, Militärrechtl. Abluundlungen. 4