Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

54 Die Grenzen des Diseiplinar-Strafrechtes. 
Von unserem Gesetze ($ 465) wird der Diebstahl, welcher von 
einem Soldaten zum Nachtheile eines anderen begangen wird, weil durch 
denselben sich nicht nur gegen fremdes Eigenthum vergangen, sondern 
auch die Disciplin gefährdet wird, als Verbrechen erklärt. Es kann daher, 
wenn ein Soldat einem andern Soldaten einen Gegenstand im Werte 
von nur zehn Kreuzern entwendet, der Fall nicht mehr im Disciplinar- 
wege abgethan werden, weil kein Vergehen, sondern ein Verbrechen 
vorliegt. Wenn hingegen ein Soldat zehn Kreuzer, welche ihm von 
einem anderen Soldaten zur Aufbewahrung übergeben worden sind, für 
sich verwendet, so ist die disciplinare Behandlung noch statthaft, da 
nur ein Vergehen der Veruntreuung vorliegt. Desgleichen ist eine Dis- 
ciplinarstrafe zulässig, wenn ein Soldat einer Civilperson zehn Kreuzer 
entwendet, da eben kein Verbrechen des Diebstahles begangen ist. 
Es gibt zwar außer dem Kameradschaftsdiebstahle noch andere 
im Militär-Strafgesetze näher bezeichnete Fälle, in welchen der Dieb- 
stahl ohne Rücksicht auf den Betrag zum Verbrechen wird, z. B. wenn 
sich der Thäter das Stehlen zur Gewohnheit gemacht hat, wenn der 
Diebstahl von mehreren Diebsgenossen durch Einsteigen oder Einbruch 
verübt wurde u. s. w. Ein näheres Eingehen auf diese Fälle erscheint 
jedoch nicht nöthig, da die Umstände, unter welchen derartige strafbare 
Handlungen verübt werden, schon nach der gewöhnlichen Auffassung 
so erschwerend erscheinen, dass die Vorlage der Strafanzeige an das 
competente Militärgericht wohl niemals unterlassen werden wird. 
Zu erwälnen ist jedoch das Rescript des Reichs-Kriegs-Ministeriums 
vom 17. Juli 1875, Praes. Nr. 2562, welches die Belehrung enthält, dass 
eine That dann nicht als Diebstahl bestraft werden kann, wenn die 
diebische Absicht mangelt. Wenn z. B. ein Soldat Esswaren eines anderen 
Soldaten nimmt, in der gegründeten Überzeugung, dass der Kamerad, 
wenn er anwesend wäre, es gestatten würde, so kann er nur wegen seiner 
Eigenmächtigkeit, nicht aber wegen Diebstalils geahndet werden. 
Endlich soll noch aufmerksam gemacht werden, dass, wenn der 
durch einen Diebstahl oder eine Veruntrenung verursachte Schaden von 
dem Thäter, bevor ein Vorgesetzter sein Verschulden erfährt, vollständig 
gut gemacht ist, eine Strafe überhaupt, daher auch eine Disciplinarstrafe 
nicht eintreten kann ($ 479 M.-St.-G.). 
Veräußerungen ärarischer Gegenstände können im Disciplinarwege 
geahndet werden, wenn der Wert des betreffenden Gegenstandes weniger 
als einen Gulden ausmacht. Während also bei Diebstählen und Verun- 
treuungen von Gegenständen im Werte von sechzig Kreuzern eine dis- 
ciplinare Behandlung ausgeschlossen ist, ist dieselbe bei Veräußerungen 
von dem Soldaten zum Dienstgebrauch übergebenen ärarischen Sorten 
von gleichem Werte noch zulässig.
	        
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