Die Militär-Gerichtsbarkeit in ihrer historischen Entwicklung ete. 61
gerichte. Die Gerichtsbarkeit, welche durch dieselben ausgeübt wird,
wird Militär-Gerichtsbarkeit genannt.
Die Militär-Gerichtsbarkeit besteht, wie wir unten näher beweisen
werden, aus Gründen der Nothwendigkeit des öffentlichen Rechtes, ')
bedingt durch das Wesen des Heeres.
Die Militärgerichte sind außerordentliche Gerichte, Sondergerichte;
allein, sie gehören nicht zu den privilegierten Gerichten, wie manchmal
(selbst von bedeutenden Schriftstellern) irrigerweise angenommen wird.
Die ständigen Gerichte des Mittelalters beruhten auf Standesprivilegien.
Im Mittelalter war der Grundsatz tief in das Rechtsbewusstsein ein-
gewurzelt, dass jeder nur von seinen Standesgenossen abgeurtheilt
werden könne, woraus die Sondergerichte der Adeligen, Geistlichen
entstanden. Mit dem Wegfalle des angeführten Grundsatzes haben auch
diese Sondergerichte aufgehört.
Die Militärgerichte bestehen, wie bereits gesagt, aus Gründen des
öffentlichen Rechtes, in Anbetracht des Wesens des Heeres, und werden
daher so lange bestehen, als es stehende Heere gibt. Da der Grund
der Militär-Gericlitsbarkeit das Jus publicum ist, so kann nicht, wie
dies allerdings bei den privilegierten Gerichten des Mittelalters der
Fall war, auf den Gerichtsstand verzichtet werden, es kann nicht eine
Militärperson, die dem Militärgerichte untersteht, sich der Militär-
Gerichtsbarkeit entschlagen, wie andererseits eine Person, die den ge-
wöhnlichen Gerichten unterstelit, nicht von einem Militärgerichte zur
Verantwortung gezogen werden kann.
Gegenwärtig steht den Militärgerichten nur eine Gerichtsbarkeit
in Strafsachen über Militäipersonen, in Ausnahmsfällen auch über Civil-
personen zu. Die früher deu Militärgerichten zugestandene Gerichtsbar-
keit in Civilrechts-Angelegenheiten ist gegenwärtig auf ein Minimum
beschränkt. Vom Standpunkte der heutigen Gesetzgebung ergibt sich
also nachstehende Definition:
Militärgerichte sind jene aus Militärpersonen zusammengesetzten
Gerichte, welche über von Militärpersonen (in bestinnmten Ausnahme-
fällen von Civilpersonen) begangene Handlungen, die durch das Gesetz
als Verbrechen oder Vergelien erklärt sind, im Wege der Militär-Straf-
process-Ordnung zu urtheilen berufen sind.
Die Militär-Gerichtsbarkeit ist durch das Gesetz gegenüber der
Civil-Gerichtsbarkeit strenge abgegrenzt. Es ist bestimmt, welche Per-
1) Laband sucht in seinem so ausgezeichneten Werke: „Das Staatsrecht des
deutschen Reiches“, IIT. Bd., 1. Abthı , S. 252 — die Militär-Gerichtsbarkeit nicht näher
zu begründen und sieht in derselben etwas Zufülliges. Die richtige Ansicht über
den Grund der Militär-Gerichtsbarkeit findet sich angedeutet bei Mittermaier, „Das
deutsche Strafverfahren“, I. Bd., S. 232 u. fl, und bei Hilse I. c.