Die Militär-Gerichtsbarkeit in ihrer historischen Entwicklung etc. 63
Militär-Strafrecht der Römer gesprochen.!) Das römische Militär-Straf-
recht ist durch eine eiserne Strenge charakterisiert, auf geringe Ver-
gehen gegen die Disciplin ist die Todesstrafe angedroht, und nicht
selten kommt die Decimation vor, die bekanntlich darin bestand, dass
eine ganze Abtheilung zum Tode verurtheilt, die Strafe aber an dem
zehnten Manne, den das Los traf, vollzogen wurde. Zur Zeit der Kaiser
war das Militär-Strafrecht schon sehr entwickelt, es kamen dieselben
Militär-Delicte vor, welche in den modernen Militär-Strafgesetzen er-
scheinen; von diesen unterschied man genau die gemeinen Delicte,
welche nicht nur Soldaten, sondern auch Nichtsoldaten begehen konnten,
unter welchen jedoch, wie dies auch in der heutigen Militär-Strafgesetz-
gebung der Fall ist, die sogenannten militärisch qualificierten gemeinen
Delicte (als der militärische Diebstahl, die Veruntreuung im Dienste),
die eine strengere Bestrafung des Soldaten fordern, hervorgehoben
wurden.
Allein nicht das materielle Strafrecht, sondern die Militär-Juris-
dietion ist Gegenstand unserer Besprechung.
Anfänglich konnte in Rom von einer Militär-Gerichtsbarkeit im
Frieden nicht die Rede sein, da es keine stehenden Heere gab. Im
Kriege war die Militär-Gerichtsbarkeit ein Ausfluss des Imperiums und
stand ursprünglich dem Könige, dann den beiden Consuln, beziehungs-
weise dem Dictator zu. Wenn der König der Provocation stattgab, so
war dies ein Ginadenact, wogegen für die Consuln durch das valerische
Gesetz (1.J. 245 Roms) bestimmt wurde, dass dieselben der Provocation
stattgeben mussten; allein, wenn der Consul als Feldherr das Richter-
amt versah, war er an keine Provocation gebunden, weshalb auch dann
die Lictoren wie früher die Beile trugen. Durch die Bestrebungen der
Gracchen wurde den römischen Bürgern auch gegen Kriegsrechts-Ur-
theile die Provocation eingeräumt, nicht aber den Soldaten der Bundes-
truppen. Die Consuln blieben als Feldherrn die Richter über die römi-
schen Soldaten, nachdem bereits für die Untersuchung und Aburthei-
lung der meisten Verbrechen die quaestiones perpetuae (bestellte Com-
missionen, deren dauernde Ordnung auf Sulla zurückzuführen ist) ein-
geführt wurden. Nach dem Untergang der qyuaestiones perpetuae gieng
die Strafgerichtsbarkeit auf die Kaiser über, welche dieselbe durch die
von ihnen bestellten Magistrate ausüben ließen. Anfänglich waren die
Soldaten im Frieden nur in Bezug auf die militärischen und die mili-
tärisch qualificierten gemeinen Delicte den Militärgerichten unterstellt, ?)
wobei jedoch hervorgehoben werden muss, dass in den Händen der
gehen“, Innsbruck 18831.
2) L.2, D. (49, 16); 1. 14, D. 48, 19.