Die Militär-Gerichtsbarkeit in ihrer historischen Entwicklung etc. 67
Gerichtsbarkeit in bürgerlicheu Rechtsangelegenheiten aufgehoben. „Nul
n’est exempt de la loi commune et de la jurisdiction des tribunaux
sous pretexte de service militaire.* In Strafsachen hat ein Gesetz vom
Jahre 1790 die Militär-Gerichtsbarkeit auf die Militär-Verbrechen be-
schränkt; allein schon das Gesetz vom 22. September 1792 gab den
Militärgerichten die Gerichtsbarkeit in Bezug auf gemeine Delicte wieder
zurück. Es wurde jedoch der Satz anerkannt, dass das allgemeine Straf-
recht die Grundlage des Militär-Strafrechtes bildet.
Das Decret vom 12. Mai 1793 führte im Militär-Strafprocesse das
Anklage-Verfahren und das Princip der Öffentlichkeit und Mündlichkeit,
sowie die unbeschränkte Zulässigkeit der Vertheidigung ein. Von dieser
Zeit an ist in Frankreich der Militär-Strafprocess im wesentlichen im
Einklange mit dem ordentlichen Strafverfahren.
In den anderen Staaten wurde die Militär- Gerichtsbarkeit in
bürgerlichen Rechtsangelegenheiten ebenfalls aufgehoben, so in Preußen
durch die Cabinets-Ordre vom 19. Juli 1809, in Österreich durch das
Gesetz vom 20. Mai 1869.
Bei der Aufhebung der Militär-Gerichtsbarkeit in Civilsachen wurde
in Preußen auch vom Kanzler v. Schrötter der Antrag auf Beschrän-
kung derselben auf die Dienstvergehen gestellt. Allein auf Antrag des
damaligen Kriegsministers v. Scharnhorst und des General- Auditeurs
v. Könen wurde die Competenz der Militärgerichte über alle Delicte
der Militärpersonen beibehalten.
Die Militär-Gerichtsbarkeit in Strafsachen erstreckt sich in Öster-
reich-Ungarn und Deutschland !) auf alle Strafsachen der Militärpersonen,
nicht bloß auf die Militär-Delicte.
In Frankreich ?) hingegen erstreckt sich die Jurisdietion der Militär-
gerichte nur auf die militärischen Delicte, jedoch ist der Begriff Militär-
Delict ein weiterer, wie nach anderen Gesetzen, z. B. dem österreichi-
schen, indem Diebstähle, Veruntreuungen, Schlägereien unter Soldaten,
Fälschungen in den Musterrollen, Rapporte u. s. w. zu den militärischen
Delicten gehören. Die Militär-Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch über
andere gemeine Delicte der Soldaten im Kriege oder wenn sich die
Truppen im Auslande befinden.
Mit der Gesetzgebung Frankreichs stimmt im wesentlichen jene
Italiens überein, jedoch sind auch nach dem italienischen Militär-Straf-
I) Wenn Stein, „Die Lelire vom Heerwesen“, S. 156, behauptet, dass gegen-
wärtig die Competenz der Militärgerichte auf die Militär-Verbrechen beschränkt ist,
so verwechselt er die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten und jene
über gemeine Delicte.
2) Über das englische Militär-Strafrecht vgl. Spangenberg, „Neues Archiv des
Criminalrechtes“, XI. Bd., S. 10.
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