68 Die Militär-Geriehtsbarkeit in ihrer historischen Entwicklung ete.
gesetze alle militärisch qualificierten Delicte, deren Begriff sehr weit
gefasst ist (Art. 175—242 des Codice penale per l’esercito) der Militär-
Jurisdietion zugewiesen.
Unsere weitere Aufgabe ist, den Umfang, welche die Militär-Juris-
dietion gegenwärtig in Österreich-Ungarn hat, zu bestimmen. Mit der
Gesetzgebung Österreich-Ungarns stimmt in dieser Beziehung die Gesetz-
gebung Deutschlands überein.
Die Grenzen der Militär-Gerichtsbarkeit werden gegenwärtig durch
das Wehr-Gesetz, dann «die Gesetze vom 20. Mai 1869, 11. Juni 1884
und 2. April 1885 bestimmt.
Der Militär-Gerichtsbarkeit in Strafsachen unterstehen:
1. Die in activer Dienstleistung befindlichen Personen des Sollaten-
standes (sowohl des Heeres, der Kriegsmarine, als der Landwehr). Durch
eine zeitliche Beurlaubung (z. B. auf zwei Monate, acht Tage) wird die
active Dienstleistung nicht unterbrochen, weshalb der Militär-Gerichts-
stand auch während der zeitlichen Beurlaubung --- bei welcher ein Ur-
lanbs-Certificat, nicht der Militärpass, erfolgt wird — bestehen bleibt.
Die Militär-Jurisdietion erstreckt sich auf alle gemeinen und militärischen
Delicte.')
2. Die bei der Heeresverwaltung angestellten, nicht auf die Kriegs-
artikel beeideten Personen (Militär-Geistliche, Auditore, Truppen-
Rechnungsführer, Militärbeamte), jedoch nur jene, welche in dem dem
Gesetze vom 20. Mai 1869 beigefügten Verzeichnisse enthalten sind. Es
gibt daher Militärbeamte, z. B. die Rechnungs -Controlsbeamten, die
Registratursbeamten, welche der Civil-Gerichtsbarkeit unterstehen (vgl.
s 54 des ungarischen Gesetzartikels vom Jahre 1868). Dagegen unter-
stehen alle activ dienenden Beamten der Kriegsmarine der Militär-
Gerichtsbarkeit, auch können sie ich während einer Einschiffung eines
Militärdelictes schuldig machen, ?) während sonst den nicht auf'die Kriegs-
artikel beeideten Militärpersonen ein Militärdeliet nicht imputiert werden
kann. In Ungarn hat die Militärgerichtsbarkeit einen weiteren Umfang,
indem nach dem Wehrgesetze alle activen Militärpersonen der Militär-
Jurisdiction unterstehen. De lege ferenda erscheint die Beschränkung
der Militär - Gerichtsbarkeit auf nur einzelne Kategorien der Militär-
beamten nicht gerechtfertigt.
3. Die Reservisten (Officiere und Mannschaft), die dauernd Be-
urlaubten (zu welchen auch die uneingereihten Reeruten gehören), die
1) Wegen Übertretung dar Finanz-Vorschriften unterstehen die Militärpersonen
den gewöhnlichen Behörden. $ 435 St.-P.-O. bestimmt, dass das standrechtliche Ver-
fahren der Civilgeriehte auch auf! Militärpersonen, welehe sieh einer solehen Hand-
lung schuldig machen, anzuwenden ist.
>) Vor der Binschitfung werden dieselben auf die Kriegsartikel beeidet.