Die Militär-Gerichtsbarkeit in ihrer historischen Entwicklung etc. 13
mittelbarem Zusammenhange stelien, als der militärische Verratli, der
militärische Diebstahl, Veruntreuungen im Dienste, Amtsvergehen der
Militärbeamten u. s. w.!)
Eine Beschränkung der Militär-Gerichtsbarkeit auf die Militär-
delicte im engsten Sinne wurde nicht einmal von der großen französi-
schen Revolution durchgeführt; dieselbe ist unmöglich, da hiebei eine
Reihe von strafbaren Handlungen, die den militärischen Dienst un-
mittelbar betreffen, bei welchen vom militärischen Standpunkte eine
strengere Strafe nöthig erscheint, als in den allgemeinen Strafgesetzen
vorgesehen ist, der Jurisdietion der Militärgerichte entzogen würde.
Die Militär-Gerichtsbarkeit muss sich, wie dies auch gegenwärtig in
den großen Militär-Staaten des Continents der Fall ist, auf alle straf-
baren Handlungen der Militärpersonen erstrecken.
Es ist durchaus wnrichtig, dass die Militär-Gerichtsbarkeit gegen
die Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetze verstößt. Diese
unrichtige Auffassung beruht nur darauf, dass man den Militär-Ge-
richtsstand einen privilegierten nannte. Die früher in Deutschland be-
standenen Sondergerichte (der Adeligen und Geistlichen) beruhten auf
Standesprivilegien, während die Militär-Gerichtsbarkeit aus staatsrecht-
lichen Gründen besteht, eine durch das Wesen des Heeres gebotene
Notliwendigkeit ist.
Jedes Delict, welches vun einem Soldaten in der Uniform be-
gangen wird, nimmt eben «dadurch einen besonderen Charakter an, man
denke nur etwa an hochverrätlierische Umtriebe, an Betheiligungen an
socialistischen Bewegungen. Gemeine Delicte können übrigens von Sol-
daten auch ım Dienste begangen werden, in welchen Fällen durch das
gemeine Delict der Dienst unmittelbar verletzt erscheint. Die Disciplin,
als das dienstliche Verhalten des Soldaten, lässt sich von der Mannes-
zucht, dem auberdienstlichen, überhaupt nicht scheiden, beide stehen
im engsten Zusammenhange, eine Schädigung der einen übt ihren Ein-
fluss auf die andere aus Der Soldat soll, so lange er dient, nur der
militärischen Obrigkeit unterstehen, wie sie ja auch für die Disciplin
und die Manneszucht verantwortlich gemacht wird. Die militärische
Obrigkeit ist der natürliche Richter des Soldaten. Den Soldaten durch
Unterstellung unter eine andere Gerichtsbarkeit seiner Fahne entziehen,
die Militärbehörde als Kläger in Strafsachen machen, hieße an den
Grundlagen der militärischen Disciplin rütteln. Mit Recht wurde vom
deutschen Reichstag bei Beratliung des Gerichtsverfassungs-Gesetzes ?)
ein Antrag, welcher darauf abzielte, die Militär-Jurisdietion auf die
I, v. Mohl, „Staatsrecht, Völkerrecht und Politik“, U. Bd., 8. 711.
2) Vgl. v. Schwarze, „Commentar zur deutschen Strafprocess-Ordnung‘, 8. 1.