Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

832 Die Bedeutung des militärischen Befehles für das Militär-Strafrecht. 
der Wachmannschaft befehlen würde, Obst von den in der Nähe der 
Wache befindlichen Bäumen oder eine vorüberlaufende Gans zu nehmen, 
vum auf der Wachstube ein gemeinsames Mahl zu bereiten, oder ein 
Kind zu schlagen, so wird sich der Untergebene nicht auf den Befehl 
berufen können, da solche Handlungen keine Dienstangelegenheiten sind, 
und der Vorgesetzte überhaupt zu solchen Befehlen nicht berechtigt ist. 
Wenn aber der Soldat im Kriege, auf Posten stehend, von seinem Vor- 
gesetzten den Befehl erhält, einen im Dunklen vorübergehenden Mann 
niederzuschießen, so wird derselbe für die Befolgung des Befehles nicht 
verantwortlich sein können, wenn sich auch später herausstellt, dass 
der Befehl etwa aus Rachsucht, nicht aber im Interesse des Dienstes 
ertheilt wurde, da eine solche Handlung den Inhalt eines Dienstbefehles 
bilden kann. Der gehorchende Untergebene kann auf die Autorität des 
Vorgesetzten hin geglaubt haben, dass wirklich ein Befehl in Dienst- 
sachen vorlag, und dass der von dem Vorgesetzten ertleilte Befehl eine 
unter den obwaltenden Unständen straflose HandInng enthielt. Der 
Untergebene kann daher, wenn er im guten Glauben handelte, nicht 
strafbar sein, wenn sich auch später herausstellt, dass die Handlung 
strafbar ist. In einem solchen Falle verantwortet der Vorgesetzte allein 
seinen Befehl. 
Im Gesetze selbst sind einzelne Fälle enthalten, in welchen nach 
unserer Auffassung nur der befehlende Vorgesetzte verantwortlich ist. 
Wenn die Weigerung, gegen den Feind zu streiten, oder die Feld- 
lüchtigkeit eines Untergebenen von augenblicklicher Gefahr sein könnte, 
so ist der Vorgesetzte verpflichtet, den in so hohem Grade Strafbaren 
niederzumachen oder die augenblickliche Tödtung desselben zu befehlen 
(s$ 252, 255). Dasselbe Recht hat der Vorgesetzte bei feigen Äußerungen 
des Untergebenen, wenn hieraus eine augenblickliche Gefahr entstehen 
kann, und ebenso beim unzeitigen Beutemachen und bei einreißenden 
Plünderungen, wenn ein abschreckendes Beispiel nöthig ist (SS 259, 
264, 499). In allen diesen Fällen hat der Vorgesetze allein seinen Be- 
fehl zu verantworten, da dass Gesetz den Untergebenen zum Gehorsam 
verpflichtet, und der Untergebene von der Annahme auszugehen hat, 
dass der Vorgesetzte besser als er beurtheilen kann, ob die Voraus- 
setzungen zum Waftengebrauch vorhanden sind. Der Vorgesetzte ist 
auch im Rıiege berechtigt, die Erlaubnis zu Plünderungen zu geben, 
wenn er durch die Nothwendigkeit zu einer solchen militärischen Maß- 
regel veranlasst ist ($ 492). Auch eine solche Maßregel hat der Vor- 
gesetzte allein zu verantworten. 
Dieselbe Frage wie im Strafrecht entsteht auch im Civilrecht, ob 
nämlich, wenn durch die Ausführung des Befehles ein widerrechtlicher 
Schade entsteht, nur der Vorgesetzte oder auch der Untergebene ver-
	        
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