Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschaft u. -Gesetzgebung. 87
Kriegsherrn ist mit eisernen Lettern am Anfange des öffentlichen
Rechtes des Heeres geschrieben. Das Heer ist die concentrierte Kraft
des Staates und kann seine Aufgabe nur dann erfüllen, wenn es von
einem Willen beherrscht wird. Das Heer, welches zwar durch das
Gesetz geschaffen wird, soll weiters mit dem Parlament nichts mehr
zu thun haben. Heere der Parlamente haben sich niemals Lorbeeren
auf den Schlachtfeldern erworben. Ungehorsam gegen den obersten
Kriegsherrn ist das schwerste Militär-Verbrechen, welches, wie die Ge-
schichte der Prätorianer und der Janitscharen beweist, die größten
Gefahren für den Staat herbeiführt. Dem öffentlichen Rechte des Heeres
gehören ferner an: die Wehrordnung, d. h. der Inbegriff der gesetz-
lichen Bestimmungen, welche die Erfüllung der Wehrpflicht regeln,
dann die Einquartierungs-Gesetze und die Gesetze über die Versorgungs-
Ansprüche der Militärpersonen und ihrer Angehörigen.
Der Grundsatz, dass der Soldat der Politik ferne bleiben und ganz
seinem Berufe obliegen soll, führt wichtige Modificationen in den
staatsbürgerlichen Rechten der Militärpersonen herbei, unter
welchen man die Öffentlichen Rechte der Staatsbürger gegenüber dem
Staate versteht. Es bestehen in allen Militär-Gesetzgebungen Beschrän-
kungen der Militärpersonen in Bezug auf das Wahlrecht und die Wähl-
barkeit in die Reichs- und Landes-Vertretung, in Bezug auf die Be-
theiligung an der Presse, das Vereins- und Versammlungsrecht, und die
Ausübung des Geschwornen -Amtes und anderer Berufstellungen.
Auf dem Gebiete des Privatrechtes bestehen in den gegen-
wärtigen Gesetzgebungen nur vereinzelte Sonderbestimmungen für
den Militärstand. Im Privatrecht steht in den meisten Beziehungen der
Soldat denı Bürger gleich, weil der Militärdienst mit den Privat-Rechts-
verhältnissen nur wenige Berührungspunkte hat. Es bestehen für den
Soldaten Beschränkungen im Eherechte, dann Erleichterungen in Bezug
auf die Errichtung letztwilliger Verfügungen, !) und ist ferner den Militär-
personen ein Existenz-Minimum gesichert, indem die Execution auf den
Gehalt und selbst freiwillige Verpfändungen und Cessionen desselben
nur bis zu einer bestimmten Grenze zulässig sind. Eine viel größere
Bedeutung hatte der Militärstand für das römische Civilrecht und dessen
Fortentwicklung. Die Römer hielten bekanntlich an dem alten Rechte
und dessen Formen strenge fest. Entstand eine neue Rechtsform, so
wurde dieselbe an eine alte, bestehende angeknüpft, und ihr so die
Bestimmtheit und Ausbildung derselben vermöge einer Fiction zuge-
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citierten Werke Steins enthalten; außerdem vergleiche man noch Laband, „Staats-
recht des Deutschen Reiches“.
1) & 44 des deutschen Reichs-Militär-Gesetzes vom 2. Mai 1874, für Österreich-
Ungarn Dienst-Reglement, I. Theil, 15. Abschnitt, $ 600, und B.G.