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beantragen, daß ihm von dem Gericht zweiter Instanz ein Vertheidiger
von Amtswegen bestellt werde. Wenn er verhaftet ist, so steht ihm nur
das Recht zu, durch einen Vertheidiger sich vertreten zu lassen.
g. 52. Nachdem die Alten bei dem Gericht zweiter Instanz ein-
gegangen sind, bestimmt dasselbe einen Termin zum mündlichen Schluß-
verfahren. Zu dem Termine ist der bei dem Gericht zweiter Instanz
angestellte Ober-Staatsanwalt zuzuziehen und der Angeklagte oder der
von diesem ernannte oder ihm von Amtswegen zu bestellende Verthei-
diger vorzuladen. In Ermangelung eines Vertheidigers, oder wenn der
von dem Angeklagten ernannte Vertheidiger nicht am Orte des Gerichts
wohnt, erfolgt die Vorladung des Angeklagten mittelst Aushanges im
Geschäftslokal des Gerichts.
§. 53. Bei dem mündlichen Schlußverfahren giebt zuerst ein aus
der Zahl der Gerichtsmitglieder zu ernennender Referent auf Grund
einer schriftlichen Relation mündlich eine Darstellung der bis dahin
stattgefundenen Verhandlungen.
Hierauf wird der Angeklagte mit seinen Beschwerden, und der
Ober-Staatsanwalt mit seinen Gegenerklärungen gehört.
§. 54. Das Gericht zweiter Instanz ist bei der Abfassung des
Erkenntnisses an die thatsächlichen Feststellungen des ersten Richters nicht
gebunden; es hat unabhängig von denselben in den Entscheidungsgrün-
den der Vorschrift des Art. 341. des Gesetzes vom 3. Mai 1852 (Ge-
setz-Samml. S. 209.) zu genügen. Hält es eine Beweisaufnahme für
nöthig, so verordnet es die Erhebung des Beweises im schriftlichen Ver-
fahren (S. 49.). Nach Eingang der Beweisverhandlungen ist ein neuer
Termin zum mündlichen Schlußverfahren anzusetzen.
Das Gericht zweiter Instanz kann jedoch die Vernehmung von
Zeugen im Schlußtermin selbst veranlassen, wenn dieses ohne erheblichen
Zeit= und Kostenaufwand ausführbar ist.
Ist das Urtheil in Abwesenheit des Angeklagten verkündet, so sind
in Bezug auf die Zustellung desselben die Bestimmungen des §. 52.
maaßgebend.
§. 55. Insoweit aus den vorstehenden Paragraphen sich nicht ein
Anderes ergiebt, finden auf das Appellationsverfahren diejenigen Vor-
schriften Anwendung, welche in den im F. 2. bezeichneten Landestheilen
für das Appellationsverfahren in Strafsachen gelten.
§. 56. Gegen das Erkenntniß des Appellationsgerichts in Stettin
steht sowohl dem Angeklagten als dem Ober-Staatsanwalt das Rechts-
mittel der Nichtigkeitsbeschwerde zu. Die letztere ist bei dem Appellations-
gericht anzumelden, zu begründen und zu beantworten. Im Uebrigen
gelten in Betreff des Rechtsmittels alle mit den Bestimmungen dieses
Gesetzes vereinbarten Vorschriften, welche in den gedachten Landestheilen
für das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen bestehen.
§. 57. Beschwerden gegen Verfügungen der Konsuln und Kon-
sulargerichte in Strafsachen folgen dem Onstanzenzuge der gegen Er-
kenntnisse in den betreffenden Sachen zulässigen Rechtzmiteh, Ist die
Verfügung in einer Sache erlassen, in welcher nach S. 42. das Kreis-
und Schwurgericht in Stettin zuständig ist, so geht die Beschwerde zu-
nächst an das Appellationsgericht in Stettin. Eine weitere Beschwerde