8 I. Teil. Historische Einleitung.
Es würde sich dann weiter ergeben, daß die Oberlausitz, da sie weder
als Teil des Königreichs Böhmen, noch als Teil des Kurstaats
Sachsen angesehen werden kann, ein Staat für sich sein muß. Dieser
Staat würde dann freilich nicht als ein souveräner erscheinen, aber
die Souveränität ist ja kein begriffswesentliches Merkmal des Staates.
Gegen diese Auffassung, daß die Oberlausitz ein Staat sei, würde auch
der Umstand nicht sprechen, daß gewisse höchste kurfürstliche Behörden
der Oberlausitz mit den übrigen Ländern gemeinsam sind. Diese Be—
hörden würden dann nicht als Behörden eines die verschiedenen Länder
zusammenfassenden Kurstaats, sondern als Behörden des einen Landes-
herrn erscheinen, der sie gleichzeitig für seine verschiedenen Länder
funktionieren läßt. Auch der andere Umstand, daß die Oberlausitzer
Truppen von Anfang an nur eine Cuote des einheitlichen kurfürst-
lichen Heeres bilden, beweist nichts gegen die Staatsnatur der Ober-
lausitz. Das Heer ist damals kein Staatsheer gewesen, sondern das persön-
liche Heer des Kurfürsten, zu welchem seine sämmtlichen Länder vermöge
ihrer Dereinigung in seiner Hand beizutragen haben. Dagegen spricht
für eine solche Auffassung der Umstand, daß die Oberlausitz die übrigen
kursächsischen Lande sogar als Ausland betrachten durfte. Die letzten
Spuren hiervon hat erst eine Verordnung vom 24. Januar 1835
beseitigt. — Doch entspricht eine solche Auffassung — ich habe mich
hierin entgegen meiner ursprünglichen Ansicht eines Besseren belehren
lassen — nicht den Anschauungen der damaligen Seit. Es ist damals
Niemand eingefallen, von einer Personalunion der Oberlausitz mit
Kursachsen zu reden. Man kannte den Begriff der Hersonalunion,
als einer Staatenverbindung noch nicht, weil man noch keinen gefesteten
Staatsbegriff im heutigen Sinne kannte. Was die Staatsgebilde
zusammenhielt und eine Art Ganzes aus ihnen machte, war die Derson
des Herrschers. Durch ihn wurden an sich unzusammenhängende
Länder zu einer Art von Gesammtstaat verbunden, welcher, obwohl
nicht Staat im heutigen Sinne des Wortes, dennoch, weil eine höhere