24 I. Teil. Historische Einleitung.
IV. Irage nach dem Zurechtbestehen des LTehensverhältnisses.
Es fragt sich nun aber: woher haben die Sächsische Regierung
und die Oberlausitzer Stände das Recht hergenommen, die Verfassung
auf die Oberlausitz auszudehnen und diese zu einem bloßen Teil von
Sachsen zu machend Die Beantwortung dieser Frage ist abhängig von
der anderen, ob damals noch die Oberlehnsherrlichkeit Oesterreichs
über das Warkgrafentum zu Recht bestand, denn diese verbot ja eine
Derbindung der Oberlausitz mit den übrigen Sächsischen Landen im
Sinne einer Inkorporation.
Auf dem Wiener Kongresse hat sich Oesterreich mit ziemlich klaren
Worten in Art. 15 der Kongreßakte seine Oberlehnsherrlichkeit reserviert.
Man hat sich dagegen auf Artikel II der BZundesakte berufen, worin die
Wahrung der Unabhängigkeit der einzelnen Staaten als ein Zweck des
Bundes hingestellt wird, und behauptet, es läge darin die prinzipielle Un-
zulässigkeit eines Lehensverhältnisses zwischen deutschen Zundesstaaten aus-
gesprochen. Aber gerade der Artikel 15 der Kongreßakte, als die speziellere
Bestimmung, zeigt deutlich, daß man keineswegs dem Artikel II der
Bundesakte die ihm untergelegte Bedeutung gegeben habe. Dagegen
läßt sich eine Aufhebung des Lehensverhältnisses sehr wohl aus
Artikel 2 der Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820 deduzieren,
worin der Deutsche Zund als eine Gemeinschaft unter sich unab-
hängiger Staaten bezeichnet wird. Da zwei im Lehensverhältnisse zu
einander stehende Staaten keineswegs als unter sich unabhängige be-
zeichnet werden können, so liegt in diesem Satz implicite die Unzulässig-
keit eines Lehensverhältnisses zwischen Staaten des Deutschen Bundes
wo für die Oberlausitz eine Abweichung von der Derfassungsurkunde statuiert
werden solle. In ähnlicher Weise wird bei der Hublikation der Möniglichen HKaus-
gesetze bemerkt: „soweit nöthig, unter Sustimmung Unserer gefteuen Stände“, ohne
daß gesagt wird, wo denn diese Sustimmung nötig sei.