32 II. Teil. Heutige staatsrechtliche Stellung der Oberlausitz.
gänzliche oder teilweise Abtretung der Oberlausitz an einen anderen
Staat, außer der Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung,
auch der der Provinzialstände bedürfen? Die Beantwortung dieser
Frage muß sich aus den Prinzipien der Urkunde heraus entwickeln
lassen. Die Oberlausitz ist unter durchaus bestimmten Bedingungen an
Sachsen gekommen, indem durch die vertragsmäßige Feststellung der
Successionsordnung ihr ganzes ferneres Schicksal fest bestimmt worden
ist. An dieser Successionsordnung ist durch die Urkunde Nichts
geändert, vielmehr ist dieselbe, wie bemerkt, in § 60 ausdrücklich auf-
recht erhalten worden. Wie könnte nun die Sächsische Regierung und
Ständeversammlung durch einseitigen Abtretungsakt diese festgeregelte
Successionsordnung umstoßen und das festbestimmte Schicksal der Ober-
lausitz zu einem ungewissen machend Es läge in einem solchen Akte
geradezu eine Umgehung der Zestimmung, daß an dem Jnhalte der
Urkunde ohne Gustimmung der Drovinzialstände Tkichts geändert werden
dürfe. Der gewichtigste Grund aber, der für die Wotwendigkeit einer
solchen Einwilligung spricht, ist der, daß sich die Oberlausitz vertrags-
mäßig an Sachsen angeschlossen hat, und darum nicht durch einseitigen
Akt der Sächsischen gesetzgebenden Faktoren von Sachsen getrennt werden
kann. Aus diesen Gründen halte ich eine Gustimmung der COberlausitzer
Stände zu einem solchen Abtretungsakte für unumgänglich notwendig.
Demnach würde heute eine friedensmäßige Abtretung der Oberlausitz an
einen ausländischen Staat einmal der Sustimmung von Bundesrat und
Reichstag, ferner der des Königs von Sachsen und der Sächsischen
Ständeversammlung, endlich der der Oberlausitzer Drovinzialstände be-
dürfen.
UAeben den allgemeinen Landesgesetzen behält die Oberlausitz ihr
besonderes Recht (§ 2 Abs. 2) so lange, wie dasselbe nicht durch neue,
von der allgemeinen Ständeversammlung genehmigte Gesetze oder Oro-
vinzialstatute geändert wird. Es besteht auch die Wiöglichkeit der
Schaffung neuen berlausitzer Rechts in Gestalt der sogenannten Dro-