36 II. Teil. Heutige staatsrechtliche Stellung der Oberlausitz.
der Oberlausitz durchgeführt werden. Bei Ernennung der Mitglieder
der Regierungsbehörde, welche ohne Beteiligung der Stände erfolgt, ist
stets auf Männer Rücksicht zu nehmen, welche der berlausitzer Rechte
und Derfassung kundig sind. Daneben bleibt als mittlere Regierungs-
behörde der Amtshauptmann bestehen. Die Stände haben das Recht
& 10 Abs. 4) bei Besetzung der Stelle eines Amtshauptmanns oder
der „dessen Geschäfte etwa künftig besorgenden Beamten“ dem Uönige
drei gesetzlich qualifizierte Kandidaten vorzuschlagen. Es hat sich aber
der König bei Genehmigung der Urkunde ausdrücklich vorbehalten, daß
er, wenn keiner der Dorgeschlagenen für annehmbar befunden würde,
nach freier Entschließung einen Dritten ernennen könne. Als die Ur-
kunde abgefaßt wurde, gab es nur einen Amtshauptmann in der Ober-
lausitz, heute giebt es deren vier: in Bautzen, Sittau, Löbau und
Kamenz. Es fragt sich nun, ob das Dräsentationsrecht der gesammten
Stände sich auf alle vier Stellen erstreckt, oder sich so geteilt hat, daß
die Stände jeder Amtshauptmannschaft das Dräsentationsrecht blos für
ihre Amtshauptmannsstelle ausüben dürfen. Miir scheint die Sache gar
nicht zweifelhaft zu sein. In der Urkunde ist die Rede von dem Amts-
hauptmann oder den dessen Geschäfte etwa künftig besorgenden Beamten.
Die vier haben sich in den Geschäftskreis des einen geteilt; sic besorgen
zusammen die Geschäfte, die früher ihm allein zufielen. Sie sind daher
als solche „etwa künftig dessen Geschäfte besorgende Beamte“ im Sinne
der Urkunde anzuselben, und es muß sich daher heute das Hräsentations-
recht der gesammten Orovinzialstände auf die Besetzung aller vier
Stellen richten, genau so wie früher auf die der einen. — Als evange-
lische Konsistorialbehörde sollen, wie bisher, die dortige Regierungs= und
Justizbehörde fungieren, zu welchem Gwecke ersterer stets ein evangelischer
Geistlicher als Kirchen= und Schulrat beigegeben sein soll. Daneben
bleiben die Konsistorialgerechtsame der Stadträte und einiger Dasallen
in bisherigem Umfange bestehen. Diese Konsistorialbehörden unterstehen
den in evangelicis beauftragten Staatsministern.