Full text: Die staatsrechtliche Stellung des Königlich Sächsischen Markgrafentums Oberlausitz.

§ 5. Veränderungen von 1834 bis beute. 53 
oder Gesetze von Einzelstaaten als gegen Artikel 6 der Reichsverfassung 
verstoßend und darum nichtig. Es bliebe nun allerdings gerade in 
unserem Falle noch ein Ausweg, nämlich der, anzunehmen, daß neue 
Staaten, wie hier die Oberlausitz, ohne Mitwirkung des Reiches zur 
Entstehung gelangen könnten, daß sie aber dann, so lange ihnen nicht 
im Wege des verfassungsändernden Reichsgesetzes zu Hülfe gekommen 
würde, dem Reiche gegenüber nur verpflichtet, aber nicht berechtigt 
wären und namentlich keinen Anteil am Bundesrat haben würden. 
In der That nimmt Schulze in seinem Lehrbuche des Deutschen Staats- 
rechts 1) die Möglichkeit einer derartigen seltsamen Konstruktion an. Ein 
solches anomales Gebilde eines nur verpflichteten, aber nicht berechtigten 
Staates ist aber unmöglich, weil den Grundprinzipien der Reichsver- 
fassung widerstreitend. Die Reichsverfassung beabsichtigt offenbar, daß 
alle Staaten gleichmäßig berechtigt und verpflichtet seien. Die Sonder- 
rechte sind blos Ausnahmen zu Gunsten einzelner Staaten (Ausnahmen 
zu Ungunsten giebt es nicht), oder sie sind Konzessionen, welche der besonderen 
Bedeutung gewisser Staaten oder ihren berechtigten Sonderinteressen gemacht 
werden. Das Grundprinzip bleibt die gerechte Derteilung von Last und 
Recht. Diesem Drinzipe wäre aber eine solche Honstruktion ein Faust- 
schlag ins Gesicht. Es folgt aus dem Gesagten, daß § 60 unserer Urkunde 
durch Artikel 6 der Reichsverfassung aufgehoben ist. Art der Reichs- 
verfassung ist aber nur ein Beleg dafür, daß sich die Reichsverfassung 
nicht auf Staaten im Allgemeinen und eine ungewisse Sahl derselben, 
sondern auf die konkreten 25 Einzelstaaten aufbaut. Weitere Ausflüsse 
dieses Orinzipes sind die Artikel der Derfassung, welche einzelnen Staaten 
Sonderrechte beilegen. Sunächst geht aus diesen allerdings nur hervor, 
daß die in denselben genannten Staaten, wie Dreußen wegen seiner 
Dräsidialrechte, Zapern wegen seiner ausgedehnten Reservatrechte, 
verfassungsrechtlich notwendig existieren müssen. Es ist aber gerade 
dies ein Ausfluß des Gedankens, daß das Reich mit der faktischen 
„) Zuch II. S. 9, Leipzig 1886.
	        
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