dus Gerippe wieder auf, um es an seine Sielle zurück-
zutragen. Der Wind schnitt ihr wieder scharf in’'s Ge-
sicht und der sternbesüte Himmel sah mitl tausend und
aber tausend goldnen Augen herab auf die einsam da-
hinschreitende Magd mit ihrer Last. Als sie nun zur
Stelle kam, wo dos grosse Crucifik aufgerichtet war,
das vom Scheine der Lalerne beleuchtet furchtbar wie
ein gegenwärtiger Gotl erschien, bückte sie sich nieder,
um das Gerippe wieder an den Schaft des Kreulzes an-
Zzulehnen, allein die Knochenarme halten sich durch
die Bewegung des Ganges der Magd oder sonst
wie über der Brust derselben verschlungen, und es
ward ihr, uls ob sich die dürren Finger ihr in's Fleisch
zu wühlen suchten. Die namenlose Angst verwirrie
ihre Sinne und das Gerippe schien sic slester umklam-
mern zu wollen, je mehr sie mit nur noch schwachen
Krälten sich davon zu befreien trachlele. Zuletzt sank
sie ohnmächlig zusammen und der Fall auf den Rücken
halle bewirkt, dass die Knochenarme sich öflneien;
doch es war zu spät, die Kälte der kristallklaren Win-
ternacht machlte ihr Blut starren, und wie die Urheber
dieses Unheils an Ort und Stelle kamen, fanden sie die
unglückliche Dirne als Leiche, ihren Kopl hart auf den
Schädel des Gerippes gedrückt. Alle Versuche, sie
dem Leben zurückzuführen, blieben fruchtlos, und das
Opler von Aberwilz, Gewinnsucht und falscher Bravour
wurde auf dem Kirchhole zu Tüchersield begraben, zu-
gleich aber auch das Todlengerippe dem Schoosse der
Erde übergeben.
Der Kapuziner.
Von dem eigenthümlich gestalleten Felsen, den man
auf dem Wege von Egloffslein nach Thüsbrunn ge-
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wahrt und der einem belenden Kapuziner gleicht, be-
richtet die Volkssage Folgendes, was milt der Benen-
nung Todtenthal, worin Thüsbrunn liegt, zusammen-
hängt, welche Benennung dann freilich eine andere Ab-
stammung hätile, als wir sie weiler oben angegeben
haben. Wir müssen es ganz dem Willen der Leser
überlassen, der Volkssage mehr Clauben zu schenken,
als der obigen Angabe, die wir allerdings einem ver-
lässigen Munde verdanken. In diesem Abschnille ha-
ben nun aber die Sagen ihr besltimmtes Recht.
Wie alle Jahre hatle sich auch vor aller Zeit der Früh-
ling mit seiner hoffnungsgrünen Pracht wie mil seinem
Blüthen- und Blumenschmelze wieder eingelunden und
die Herzen der Menschen freudiger gestimmt, als diess
der eisig kalle Winter vermag. Da kam ein lermini-
render Bruder in das Plarrhaus von Thüsbrunn, worin
als Plarrherr ein wahrhalliger Scelsorger wohnie, der
nur das lebendige Wort GColles predigte, wic es
geschehen soll in der Liebe des Herrn, ohne andere
Absichten und Zwecke. Eine arme Verwandte versah
die Wirthschalt des Plarrherrn, die Einfachhen und
Reinlichkeil in sich schloss. Das Mädkcchen war jung
und schön und noch mehr als das, sie war gul und
sauber im Herzen. Als der Kapuzinermönch eintrat,
sbrach er sein „gelobt sei lesus Chrislus,“ „in Ewig-
keil, Amen,“ antwortelten der Plurrer und die schöne
Kunigunde. Da es schon ziemlich spät war. So lucd
der Pfarrer den Bruder Kapuziner cin, den lmbiss bei
ihm zu nehmen und auch bei ihm zu übernachlen, was der
Bruder nicht ausschlug. Am undern Morgen gab’s noch
ein Frühbrod, der Plfarrer schenkte noch ein blankes
Stück Geld, einen Mutlergoltesthaler, für's Kloster und