Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

15. Zusammensetzung der ersten Kammer. 115 
  
den entgegengesetzten Richtungen auseinandergezogen: die königlichen Prinzen stehen 
an der Spitze (Ziff. 1), die frei Ernannten bilden den Schluß (Ziff. 17). Zwischen beiden 
finden wir dann hintereinander die Nachfolger der alten drei Ständeklassen: Ziffer 2 bis 12, 
Ziffer 13 und 14, Ziffer 15 und 16. 
Auf diese Weise wird uns die erste Kammer übersichtlich werden. 
Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt 46, ungerechnet die königlichen Prinzen, deren 
Zahl naturgemäß schwankt. 
I. An der Spitze der Mitglieder nennt die Verf.-Urk. die volljährigen Prin- 
zen des Königlichen Hauses (Verf.-Urk. § 63 Ziff. 1).3) Sie sind geborene 
Mitglieder, durch die Verfassung zum Eintritt berufen, sobald sie die Volljährigikeit er- 
reicht haben. Eine Pflicht zum Eintritt hat ihnen die Verfassung nicht auferlegt. Der 
König kann es ihnen zur Standespflicht rechnen und sie mit seiner Hausgewalt zur 
Erfüllung anhalten. 
II. Aus der Klasse der Prälaten, Grafen und Herren sind übernommen: 
— „das Hochstift Meißen, durch einen Deputierten seines 
Mittels“ (Verf.-Urk. § 63 Ziff. 2 
— „ein Abgeordneter der Universität Leipzig, welcher von 
selbiger aus dem Mittel ihrer ordentlichen Professoren ge- 
wählt wird“ (Verf.-Urk. §& 63 Ziff. 5); 
— „der Dekan des Domstifts St. Petri zu Budissin " (Verf.= 
Urk. § 63 Ziff. 9); 
— „ein Abgeordneter des Collegiatstifts zu Wurzen, aus 
dem Mittel des Kapitels“ (Verf.-Urk. § 63 Ziff. 11). 
Diese vier Mitglieder haben das gemeinsam, daß sie im Sinne der alten Stände Prä- 
laten vorstellen ") und daß sie körperschaftlicher Natur sind. Denn die Standschaft gebührt 
3) Die drei Entwürfe enthielten nichts dergleichen. Bei der Beratung im Landtag gab die Ritter- 
schaft die Anregung dazu, und in der ständischen Schrift vom 19. Juli 1831, den Verfassungsentw. 
betreffend (Landt.-Akten 1831 Bd. 4 S. 1783), wurde die Teilnahme der Prinzen vorgeschlagen 
als nützlich zu ihrer eigenen Ausbildung sowohl, wie zur Förderung der Verhandlungen. Vgl. 
auch v. Witzleben, Die Entstehung der konst. Verf., S. 226. 
4) Um einem Mangel in dieser Hinsicht abzuhelfen, hatten die beiden Klostervögte von St. 
Mariental und St. Marienstern eine Vorstellung an den König gerichtet, „die Repräsentation 
dieser Klöster auf den künftigen Landesversammlungen betreffend“. Die Stände der Erblande 
sprachen sich jedoch dagegen aus „in Betracht der überwiegenden Vertretung, welche die Ober- 
lausitz dadurch erlangen würde“. (Landt.-Akt. 1831 Bd. 4 S. 1785). — In dem Verfassungs- 
entwurf Linden au fanden sich auch die zwei evangelischen Stifte nicht. Wurzen und Bautzen waren 
bei den Verhandlungen der Stände über die Verfassung nicht beteiligt. Meißen gab unterm 4. Sept. 
1831 mit den Herrschaftsbesitzern zusammen, bei Zustimmung zur Verfassung, eine ziemlich trotzige 
Erklärung ab, wonach man sich gegen alle Beschwerungen oder Gefährdungen durch künftige Ge- 
setze „das Recht der Protestation“ vorbehielt (Landt.-Akten 1831 Bd. 4, S. 2329). — Die Stifte 
Meißen und Wurzen wurden späterhin im Landtag mehrfach in Frage gestellt, indem man den 
Zweck dieser Einrichtungen kritisch betrachtete (Landt.-Akten 1833 2. Abt. S. 113, 3. Abt., 
S. 690). Darüber erschien 1834 die Schrift von Chr. L. Stieglitzz: das Recht des Hochstifts 
Meißen und des Kollegiatstifts Wurzen auf ein ungehindertes Fortbestehen in ihrer gegenwärtigen 
Verfassung. Sie wählt in der Vorrede als Motto den Satz Mühlenbruchs: „Man darf das Recht 
und seine Gültigkeit nicht abhängig machen von einem Räsonnement über Gründe und ursprüng- 
liche Zwecke.“ — Es handelt sich um kleine geschlossene Gesellschaften, die sich durch Kooptation 
erneuern und einiges Stiftungsvermögen verwalten, dazu auch ihren Mitgliedern Pfründen 
gewähren. Bei Meißen ist ein gewisser Zusammenhang mit dem Staate insofern gewahrt, als 
die Verleihung der Stellen königlicher Bestätigung bedarf. Über die Statuten beider enthält die 
Dekanntmachung des Kultusministeriums v. 12. Jan. 1909 (Ges.= u. Verord.-Bl., S. 59) einige 
ngaben. 
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