120 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 8 15.
sammelten Wähler bilden die Kreisversammlung (Oberlausitz: Provinzialversammlung).
Gewählt ist, wer von den abgegebenen gültigen Stimmen verhältnismäßig die meisten
(relative Majorität), mindestens aber ein Drittel der Gesamtzahl erhalten hat (5 30). Im
Falle eine solche Mehrheit nicht zustande gekommen ist, findet engere Wahl statt zwischen
den zwei Höchstbestimmten. Diese wird sofort in der Versammlung vorgenommen; ebenso
die Neuwahl im Falle einer Ablehnung des anwesenden zuerst Gewählten. Staats-
diener und die ihnen gleichgestellten Beamten bedürfen zur Annahme der Wahl der Ge-
nehmigung ihres Vorgesetzten (wie bei den Wahlen zur zweiten Kammer; vgl. unten §+ 17
Note 25). Erfolgt die Ablehnung später oder ist die Wahl für ungültig erklärt, so wird
mit Genehmigung des Ministeriums zu einer Nachwahl eingeladen (7( 38).
— „Zehn vom Könige, nach freier Wahl, auf Lebenszeit
ernannte Rittergutsbesitzer“ (Verf.-Urk. § 63 Ziff. 14).
Nach Verf.-Urk. §J 65 Abs. 4 muß die Zahl von zehn Mitgliedern stets ernannt sein:
der König hat also bloß freie Hand in der Auswahl der zu Ernennenden. Auch hierbei ist
er gebunden an einen bestimmten Kreis. In Betracht kommen nur Eigentümer von im
Königreiche gelegenen Rittergütern, die mit wenigstens 4000 Steuereinheiten angesetzt
sind. Dabei erkennt die Verfassung ausdrücklich an, daß auf diesen Titel auch Besitzer
Schönburgischer Rezeß= oder Lehensherrschaften ernannt werden können, soweit sie nicht
nach Verf.-Urk. § 63 Ziff. 4 oder Ziff. 12 der Kammer bereits angehören. Das Bedenken,
welches hier beseitigt werden soll, beruht nicht auf dem Mangel eines geeigneten Grund-
besitzes, als vielmehr darauf, daß dieser Grundbesitz bereits dazu gedient hat, den Eigen-
tümern eine besondere Vertretung in der ersten Kammer zu sichern. 19) Andererseits ist
hier dem königlichen Ernennungsrecht eine besondere Schranke insofern gesetzt, als Mi-
nister im aktiven Dienste und besoldete Hofbeamte unbedingt ausgeschlossen sind (Verf.=
Urk. A Abs. 2 Satz 3).
IV. Im „Engen Ausschuß“ der Städte hatten zuletzt Sitz und Stimme: Dresden,
Leipzig, Bautzen, Zwickau, Freiberg, Zittau, Chemnitz und Plauen, also acht im ganzen. 20)
Daraus ergeben sich die zwei Verfassungsbestimmungen:
— „die erste Magistratsperson der Städte Dresden und
Leipzig“ (Verf.-Urk. § 63 Ziff. 15);
— „die erste Magistratsperson in sechs vom Könige, unter
möglichster Berücksichtigung aller Teile des Landes, nach
Gefallen zu bestimmenden Städten “ (Verf.-Urk. § 63 Ziff. 16).21)
Der leitende Gedanke ist immer noch, daß die Standschaft der Stadt gebührt, für welche
ihr Haupt in der ersten Kammer sitzt. Dieses Recht besitzen aber jetzt nur noch Dresden
und Leipzig unmittelbar aus der Verfassung. Die anderen erwerben es durch königliche
19) Landt.-Akten 1831 Bd. 4, S. 1784: der geeignete Grundbesitz muß bei dem zu Ernennen-
den besonders nachgewiesen werden, so zwar, daß für den nach Verf.-Urk. § 63 Ziff. 11 Be-
rufenen noch eine dem Normalmaß genügende Lehnsherrschaft übrig bleibt.
20) Weiße, Staats-R. I S. 115 Note 3. Leipzig hatte das Direktorium.
21) Die Entwürfe Carlowitz und Lindenau beriefen jeder nur 5 Bürgermeister, der Regie-
rungsentwurf 6 Oberbürgermeister, immer von namentlich aufgeführten Städten. Bei den Ver-
handlungen der Stände wurden von den Städten wie von der Ritterschaft gemischte Berufungs-
systeme angeregt (v. Witzleben, Entst. der konst. Verf. S. 223, S. 226). Der Text der Verf.=
Urt beraht auf einem Vorschlage der Ständischen Schrift vom 19. Juli 1831 (Landt.-Akten 183!
4 S. 1785).