Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

g 15. Zusammensetzung der ersten Kammer. 121 
  
Verleihung. Die „möglichste Berücksichtigung aller Teile des Landes“ ist lediglich eine 
Anempfehlung für den König. Die einmal geschehene Verleihung bindet ihn auch nicht; 
gerade um jener Empfehlung nachzukommen, muß er unter Umständen wechseln können. 
V. In den sämtlichen Verfassungsentwürfen war, abweichend von der sonst vor- 
bildlichen Württembergischen Verfassung, eine einfache Berufung „aus königlichem Ver- 
trauen“ nicht vorgesehen. Während der Landtagsverhandlungen gab die Ritterschaft die 
Anregung dazu, damit der ersten Kammer der Besitz von Männern gesichert werde, „welche 
nicht nur durch ihre Gesinnungen, sondern auch durch ihre Erfahrung und Kenntnisse die 
Gründlichkeit der Arbeiten befördern würden".::) Aber erst durch das Verfassungsgesetz 
vom 3. Dezember 1868 wurde dem § 63 der Verf.-Urk. eine Ziff. 17 hinzugefügt: 
— „fünf vom Könige nach freier Wahl auf Lebenszeit er- 
nannte Mitglieder“. 
Durch das nämliche Gesetz erhielt zugleich Verf.-Urk. & 65 Abs. 4 die Bestimmung, 
daß auch diese fünf Mitglieder stets ernannt sein müssen. Für die Auswahl sind dem 
König keine ausdrücklichen Vorschriften gegeben.:) — 
Die Mitgliedschaft in der ersten Kammer beruht demnach auf fünferlei Berufungs- 
gründen. Zeder, der dadurch Mitglied werden soll, muß aber zugleich gewisse per- 
sönliche Eigenschaften besitzen, um dafür rechtlich zugänglich zu sein. 
Er muß vor allem die nötige politische Rechtsfähigkeit haben. 
Dazu gehört, entsprechend den allgemeinen Grundsätzen: Sächsische Staats- 
angehörigkeit, männliches Geschlecht und Altersreife, d. kh. im 
Zweifel Volljährigkeit. 
Bezüglich des letzteren Punktes bestehen Meinungsverschiedenheiten. Für die Wahl 
der zwölf Rittergutsbesitzer nach Verf.-Urk. § 63 Ziff. 13 gelten nach Verf.-Ges. vom 
3. Dezember 1868 (Verf.-Urk. § 65) die näheren Bestimmungen des Wahlgesetzes. Danach 
ist auch hier für die Wählbarkeit die Forderung der Staatsangehörigkeit sowohl, wie der 
Altersreife verschärft: es wird dreijähriger Besitz der Staatsangehörigkeit und Erfüllung 
des 30. Lebensjahres verlangt (Wahlges. v. 3. Dezember 1868 §4). Andererseits ist für 
die königlichen Prinzen in Verf.-Urk. § 63 Ziff. 1 ausdrücklich die Volljährigkeit für ge- 
nügend erklärt, und zwar in einer Weise, daß daraus nicht ein Schluß gezogen werden kann, 
es solle in den anderen Fällen mehr verlangt sein. Unter diesen Umständen muß wohl 
angenommen werden, daß die Verf.-Urk. in den Berufungsgründen selbst hier im all- 
gemeinen eine genügende Gewährleistung sieht gegen allzu große Jugendlichkeit der durch 
sie gelieferten Mitgliedschaft. Es bleibt also bei der selbstverständlichen Mindestforderung 
der Volljährigkeit.") 
22) v. Witzleben, Entstehung der konst. Verf. S. 226. 
23) Opitz, Staats-R. II S. 27 ist der Meinung, daß Minister im aktiven Dienste und 
besoldete Hofbeamte nicht ernannt werden können. Das stützt sich auf die für die zu ernennenden 
Rittergutsbesitzer gegebene Bestimmung in Verf.-Urk. & 65 Abs. 3. Selbstverständlich wird 
der König diese Bestimmung auch bei der Ernennung berücksichtigen, die er aus freier Wahl zu 
machen hat. Aber rechtsungültig ist eine Ernennung hier nicht, wenn er anders verfügt. 
24) Die Meinungen über das zu fordernde Alter gehen hier sehr durcheinander. Abweichend 
von obigem, jeder wieder auf besondere Art: Bülau, Nonnulla de dynast. in Saxonia regia 
S. 27, Mith auser, Staats-R. S. 151, Opitz, Staats-R. II S. 33; Fricker, Grund- 
liß S. .
	        
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