142 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 8 18.
Der auf solche Weise geordnete Geschäftsgang hat für jede Kammer seine Besonder-
heiten. In seinen Grundzügen stellt er sich dar, wie folgt:
1. Das Erste ist für jede Kammer, daß sie ihre Konstituierung vornimmt.
Darunter versteht man die Herstellung ihrer Verhandlungs= und Beschlußfähigkeit.
Die Mitglieder, wie sie eintreffen, vollziehen zunächst die Anmeldung unter
Vorlage ihrer Legitimation; diese besteht in dem an sie gerichteten Einladungsschreiben
des Ministers des Innern. Handelt es sich um eine der in der ersten Kammer landtags-
berechtigten Gemeinschaften (5 63 Ziff. 2, 4, 5, 11 und 12, desgleichen auch Ziff. 9) oder
um den Bevollmächtigten eines Herrschaftsbesitzers nach § 64, so ist die Urkunde über die
erteilte Vertretungsbefugnis (Vollmacht) vorzulegen (Landt.-Ord. § 2 Abs. 2).
Zur Entgegennahme der Anmeldungen ist in jeder Kammer eine Einweisungs-
kommisson bestellt. Sie bildet sich aus den Mitgliedern, welche im vorausgehenden
Landtage zum Direktorium gehört hatten. Sind davon nicht mindestens zwei vorhanden,
so bezeichnet der König die Kammermitglieder, die an ihrer Stelle in die Kommission
treten sollen.
Die Einweisungskommission prüft nur das Außerliche der Legitimation: ob die Urkunde
formgerecht ist und ob sie auf den Angemeldeten lautet. Der von ihr Zugelassene ist
bis zu einer etwaigen Ungültigerklärung seiner Wahl zur Ausübung der Mitgliedschaft
in der Kammer berechtigt.
Sobald auf solche Art für eine Kammer eine Anzahl von Mitgliedern angemeldet ist,
die genügt, um sie nach den Bestimmungen des & 128 der Verf.-Urk. beschlußfähig zu machen,
also mindestens die Hälfte der verfassungsmäßigen Mitgliederzahl, schreitet sie zur Wahl
ihres Direktoriums. Dieses besteht für jede Kammer aus einem Präsidenten,
zwei Vizepräsidenten und zwei Sekretären. Die Wahl geschieht unter Leitung des Vor-
sitzenden der Einweisungskommission. Der Präsident der ersten Kammer wird vom König
aus der Mitte der Herrschafts= oder Rittergutsbesitzer ernannt (Verf.-Urk. § 67).
2. Zur Vorbereitung und Durchführung ihrer Beschlüsse bildet jede Kammer aus ihren
Mitgliedern Unterkollegien, Deeputationen, Ausschüsse.
Es werden unterschieden: ordentliche Deputationen, welche jedesmal bei
Beginn des Landtages für gewisse Geschäftszweige ständig zu bestellen sind, und außer-
ordentliche Deputationen, die je nach Bedürfnis für bestimmte Gegen-
stände bestellt werden.
In der ersten Kammer werden die ordentlichen Deputationen sofort nach der Kon-
stituierung vom Plenum gewählt. Sie bestehen regelmäßig, sofern die Kammer nicht anders
beliebt, aus fünf Mitgliedern und wählen sich aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und
einen Schriftführer.
In der zweiten Kammer schieben sich hier zunächst die Abteilungen ein. Sofort
nach Beendigung des Anmeldungstermins findet eine „Präliminarsitzung“ der Kammer
statt, geleitet von dem Vorsitzenden der Einweisungskommission. In ihr werden die Kam-
lassen. Nur die Rechtssätze haben eine entlehnte höhere Kraft, die den, der sie erlassen hat, selber
bindet, so daß er im Einzelfalle nicht davon abweichen kann. Uber die rechtliche Natur der Ge-
schäftsordnungen im allgemeinen vgl. Laband, Staats-R. I S. 319, 320. — Die zurzeit
geltenden Geschäftsordnungen datieren: für die erste Kammer v. 16. Oktober 1875, für die zweite
v. 13. Oktober 1874 mit (höchst unerheblichen) Nachträgen v. 15. März 1894 und v. 24. März 1896.